Wirtschaftswachstum


Unter Wirtschaftswachstum wird ganz allgemein eine Zunahme der Wirtschaftsleistung (je Land, Region oder global) im Zeitablauf verstanden. Die gängigste Maßeinheit ist die prozentuale Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Zeitablauf als monatliche, vierteljährliche oder jährliche Wachstumsrate.[1] Diese prozentualen Wachstumsraten berechnen sich als Quotient der Änderung des Inlandsprodukts und dem Wert in der Vorperiode.




Inhaltsverzeichnis





  • 1 Begriffe


  • 2 Wachstumstheorie

    • 2.1 Arbeit


    • 2.2 Kapital


    • 2.3 Innovation (Technologie)


    • 2.4 Institutioneller Rahmen



  • 3 Wirtschaftswachstum als Ziel der Wirtschaftspolitik


  • 4 Bedeutung von Wirtschaftswachstum

    • 4.1 Wirtschaftswachstum und Beschäftigungssicherung


    • 4.2 Wirtschaftskraft und Lebensqualität


    • 4.3 Zusammenfassung der Ziele



  • 5 Grenzen des Wachstums

    • 5.1 Von der Wachstumsökonomie zur Postwachstumsökonomie



  • 6 Wirtschaftswachstum aus systemtheoretischer Sicht


  • 7 Siehe auch


  • 8 Literatur


  • 9 Weblinks


  • 10 Einzelnachweise




Begriffe |




Reales Wachstum der Welt und der OECD-Staaten nach Weltbank-Daten und OECD-Daten.


Wirtschaftswachstum wird oftmals an der intertemporalen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts festgemacht. Das Bruttoinlandsprodukt misst den Gesamtwert der Waren und Dienstleistungen die innerhalb von einem Jahr in einer Volkswirtschaft erbracht werden.
Grundsätzlich wird zwischen nominalem und realem BIP-Wachstum unterschieden. Die beiden Methoden unterscheiden sich in der Bewertung der Wertschöpfung: Beim nominalen Wachstum wird die Wertschöpfung über die Marktpreise bewertet, sodass eventuelle Änderungen der Marktpreise durch Inflation und Deflation zu einem Anstieg bzw. Rückgang des Wachstums führen. Das reale Wachstum wird hingegen um die Preissteigerungen im Rahmen von Inflation/Deflation bereinigt – gemessen wird nach diesem Konzept also die eigentliche reale Leistungsentwicklung der Gesamtwirtschaft.
Bei der Abgrenzung zwischen absolutem und relativem Wirtschaftswachstum wird das Wirtschaftswachstum in der Regel als prozentuale, also relative Veränderung zum Vorjahr angegeben. Mitte der 1950er Jahre betrug in Deutschland das bereinigte Bruttoinlandsprodukt pro Kopf umgerechnet ca. 5000 Euro, bei (relativen) Wachstumsraten um die 10 %. Dies entspricht einem absoluten Wachstum von durchschnittlich ca. 500 Euro pro Person. Anfang der neunziger Jahre lag das BIP pro Kopf bei ca. 25.000 Euro, bei einem relativen Wachstum von 2 %, was einem absoluten Wachstum von wiederum 500 Euro pro Kopf entspricht – demselben absoluten Wert wie in den 1950er Jahren.


Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wurde als ein wichtiger Indikator für die Konjunktur- und Geldpolitik konzipiert. Das Bruttoinlandsprodukt ist auch ein Indikator dafür, wie groß die Kapazität eines Landes ist, Wohlstand zu schaffen. Ein Wachstum des BIP muss aber nicht zwangsläufig einen Wohlstandszuwachs bedeuten. Ein rein quantitatives Wachstum erhöht zwar das Sozialprodukt und regt die Beschäftigung an, nimmt aber nicht unbedingt Rücksicht auf die soziale und natürliche Umwelt.[2]


  • Bei extensivem Wachstum geht es um die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts, ohne zu betrachten, ob sich auch die Güterversorgung pro Kopf der Bevölkerung vergrößert hat. So kann beispielsweise das Bevölkerungswachstum größer sein als das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. In diesem Fall steigt zwar das Bruttoinlandsprodukt, das Pro-Kopf-Einkommen sinkt jedoch. In diesem Fall beruht das Wachstum nur auf einer Zunahme der Bevölkerung aber nicht auf einer Steigerung der Produktivität.[3]


  • Intensives Wirtschaftswachstum liegt nur vor, wenn das Pro-Kopf-Einkommen steigt. Das bedeutet, dass das Wachstum durch eine höhere Arbeitsproduktivität erlangt wird. Die Wachstumsrate des BIP übersteigt also die Wachstumsrate der Bevölkerung.[4] So kann bei einer schrumpfenden Bevölkerung mit wachsender Arbeitsproduktivität das Bruttoinlandsprodukt abnehmen, das Pro-Kopf-Einkommen (Wohlstand) jedoch zunehmen.[5]

  • Weiterhin kann auch nach dem Faktor Arbeitszeit unterschieden werden: Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ist in den Vereinigten Staaten 26 % höher als in Deutschland, das Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde aber nur 6 % (Stand 2008).[6]

Die Vereinten Nationen nutzen den Index der menschlichen Entwicklung zur Messung des qualitativen Wachstums. Hierbei wird nicht nur das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, sondern auch die Lebenserwartung und die Dauer der Ausbildung betrachtet.[7]


Unter qualitativem Wachstum versteht man die Erhöhung des Sozialprodukts, die gleichzeitig mit der Mehrung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes entsteht. Man nennt dieses Wirtschaftswachstum auch umweltfreundlich, weil es versucht, das Wachstum nicht durch Belastung der Umwelt zu erreichen.[2] Mit der verstärkten Nutzung erneuerbarer Ressourcen soll eine Wohlstandsverteilung mit geringerer Belastung der Umwelt und geringerem Verbrauch begrenzter Rohstoffe ermöglicht werden. Laut der UNESCO beziehungsweise der Vereinten Nationen sind für qualitatives Wachstum weiters besonders Kulturgutschutz, hochwertige Bildung, kulturelle Vielfalt und sozialer Zusammenhalt in bewaffneten Konflikten notwendig.[8] Solch ein qualitatives Wirtschaftswachstum folgt damit dem Prinzip der Nachhaltigkeit.[9]


Die Forderung nach weniger Wachstum ist aber auch nicht sinnvoll, da die Menschen dann ärmer werden, als sie sein müssten, und das Interesse an Umweltschutz mit sinkendem Wohlstand abnimmt.[10] Wirtschaftswachstum sorgt für eine größere Verteilungsmasse, so dass soziale Ziele leichter erreichbar sind. Es muss auch nicht zwangsläufig mit steigender Umweltverschmutzung einhergehen. Zum einen beruht das Wirtschaftswachstum in den fortgeschrittenen Industrienationen heutzutage eher auf einem Zuwachs an Dienstleistungen als einem Zuwachs an Waren, zum anderen beruht ein zunehmender Anteil des BIP auf Umwelttechnik.[11]



Wachstumstheorie |


Siehe Hauptartikel: Wachstumstheorie


Die Wachstumstheorie ist der Zweig der Volkswirtschaftslehre, der sich mit der Erklärung der Ursachen von Wirtschaftswachstum befasst. Sie hat verschiedene Modelle hervorgebracht, mit deren Hilfe die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens analysiert und erklärt wird.


Die bekanntesten sind:



  • Harrod-Domar-Modell (1942) (Keynesianisches Wachstumsmodell)


  • Solow-Swan-Modell (1956) (Neoklassisches Wachstumsmodell): Im Solow-Modell wird das BIP mit Hilfe der drei Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Technologie erzeugt


  • Ramsey-Modell (neoklassisch)


  • Endogene Wachstumsmodelle (Mitte der 1980er Jahre)

Seit 2005 werden Wachstumsmodelle auch in solche mit starken und solche mit schwachen langfristigen Wirkungen der Wirtschaftspolitik klassifiziert. Dieses Modell liegt nicht entlang der Trennlinien zwischen neoklassischen und endogenen Modellen, sondern beleuchtet die Abhängigkeit des Wachstums vom Gewicht des physischen bzw. humanen Kapitals in der Produktionsfunktion, der Rate der Kapitalakkumulation und des technischen Fortschritts, des Verlaufes der Grenzertragskurve und der Glaubwürdigkeit der wirtschaftspolitischen Aktivitäten. Entscheidend sind dabei institutionelle langandauernde kontinuierliche Rahmenbedingungen wie Rechtssicherheit (unabhängige und effektive Gerichte bzw. Verwaltung, Verhinderung von Korruption und Geldwäsche, Vertrags- bzw. Registersicherheit), öffentliche Sicherheit und Forschung.[12] Schon Douglass North untersuchte die historische Entwicklung verschiedener Volkswirtschaften und stellte die Rolle von Institutionen wie Rechtssicherheit als entscheidende Variable für deren unterschiedliche Entwicklung heraus.[13]


Zur Analyse der Gründe für Wirtschaftswachstum gehören die Faktoren Arbeit, Kapital, Innovation und Produktivität. Die Innovationsrate und die Spar- und Investitionsquote (Kapital) wiederum wird stark durch den institutionellen Rahmen beeinflusst. Im Vergleich von Volkswirtschaften stellen sich dabei die Fragen:[14]


  • Warum sind Arbeiter in manchen Ländern besser qualifiziert als in anderen?

  • Warum sind Sparquote und Investitionen in manchen Ländern höher als in anderen?

  • Warum nutzen manche Länder Ressourcen sorgsamer?

  • Warum ist in manchen Ländern die Innovationsrate höher?

  • Warum ist die Produktivität in manchen Ländern höher?


Arbeit |


Beschäftigungsvermehrung bedeutet mehr Arbeiter, die bereit sind, die wirtschaftlichen Güter und Dienstleistungen zu produzieren. Beschäftigungsvermehrung läuft jedoch in sehr engen Grenzen bzw. zunehmend langsamer ab. In vielen ärmeren Ländern in Afrika wächst die Bevölkerung jedes Jahr um 3 %. Eine so schnelle Bevölkerungsvermehrung bewirkt, dass es enorm schwer ist, dafür zu sorgen, dass alle Beschäftigten über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen, um eine hohe, erforderliche Produktivität zu erreichen. Viele Länder in der Welt versuchen, die Bevölkerungsvermehrung mit Gesetzen zu begrenzen und auf diese Weise ihre Lebensqualität zu sichern. In China beispielsweise durfte bis 2015 ein Paar nur ein Kind haben und Familien, die gegen dieses Gesetz verstoßen, zahlten hohe Bußgelder.[15]



Kapital |


Das Kapital stellt das Potenzial einer Volkswirtschaft dar, Güter und Dienstleistungen zur Steigerung der Lebensqualität herstellen zu können (z. B. Maschinen, Bürogebäude oder Humankapital).[16] Die Produktion je Beschäftigtem steigt mit der Kapitalintensität in Abhängigkeit vom Grenzertrag des Kapitals. Je höher die Produktion bereits ist, desto geringer ist dieser Ertrag und somit das Wachstumspotenzial.[17]


Die Länder, die in den Jahren 1960–1965 ein durchschnittlich höheres Niveau bei der Produktivität erreicht haben, hatten im Jahr 1990 auch das größte Pro-Kopf-Einkommen.[18] Anders formuliert waren die reichen Länder produktiver als die ärmeren, weil sie mehr Kapital je Beschäftigtem hatten und diese zudem besser ausgebildet waren. Diesen Zusammenhang hat Robert Solow in seinem Wachstumsmodell erklärt.


Im Gegensatz zur Arbeit kann Kapital akkumuliert werden. Gleichzeitig nutzt es sich ab und muss mit der Zeit ersetzt werden. Ein Teil der Produktion muss also für die Instandhaltung des Kapitals aufgewendet werden, um die Produktion mindestens konstant halten zu können. Durch den abnehmenden Grenzertrag kann daher nicht beliebig viel Kapital akkumuliert werden. Dadurch gibt es ein theoretisches Limit für die Produktion einer Volkswirtschaft, an dem die Investitionen gleich den Abschreibungen sind (konstante Arbeitskraft und Technologie vorausgesetzt). Dieser Punkt ist der steady state.[19]


Der steady state wird maßgeblich von der Sparquote beeinflusst. Je höher die Sparquote und damit die Ersparnisse sind, desto mehr Kapital kann ersetzt werden. Weil mehr gespart wird, sinkt der Konsum. Aus diesem Trade-off ergibt sich ein optimaler Punkt, an dem der Konsum dauerhaft maximal ist (d. h. das für die Produktion notwendige Kapital kann dauerhaft ersetzt werden). Im Optimum liegt die Sparquote bei 0,5 (50 %), es wird also genauso viel gespart wie konsumiert. Dieser Sachverhalt wird im Solow-Modell als goldene Regel bezeichnet.[20]



Innovation (Technologie) |


Der Wachstumsbeitrag, der nicht auf einer Zunahme des Einsatzes der Faktoren Arbeit und Kapital beruht, sondern auf technologischen Innovationen, wird als Technischer Fortschritt bezeichnet. Hierbei kann es sich zum Beispiel um neue Produkte, verbesserte Produktionsverfahren, Erschließung neuer Rohstoff-Ressourcen oder neue Organisationsstrukturen handeln.


Nach einer Studie von Robert Solow ist technischer Fortschritt für 80 % des langfristigen Anstiegs des amerikanischen Pro-Kopf-Einkommen verantwortlich, der Anstieg der Kapitalinvestitionen nur für 20 %.[21]


Die USA, Frankreich, Deutschland, Japan und Großbritannien – fünf der reichsten Länder – geben für Forschung und Entwicklung 2 bis 3 Prozent ihres BIP aus. Auf diese Weise erhöhen sie ihre Chance, neue, bessere Produkte zu entwickeln und dadurch die Produktivität der Beschäftigten zu steigern.[22]



Institutioneller Rahmen |


Als programmatische Schwerpunkte für Wirtschaftswachstum und positive langanhaltende Entwicklung von Gemeinwesen gelten Währungs- und Finanzstabilität, solider Rechtsrahmen (Sicherung der Eigentumsrechte, Vertrags- und Registersicherheit, Gläubigerschutz), umsichtige Deregulierung und Liberalisierung des Finanzsektor, Kapitalverkehrsliberalisierung mit Wechselkursflexibilität, robuste Banken, zielgenaue Finanzpolitik (Wertpapiermärkte, staatliches Schuldenmanagement), stabile und effiziente Zahlungsverkehrs- und Settlementsysteme und die Implementierung von Standards und Kodizes.[23] Politische Stabilität, Rechtssicherheit und Schutz geistigen Eigentums werden international gerade bei innovativen Unternehmen, beim E-Business, bei IT-Unternehmen und diesbezüglichen Start-up-Unternehmen als maßgebliche Rahmenbedingungen des Unternehmenswachstums wahrgenommen.[24]


Im Ländervergleich des Nachkriegswachstums zeigte sich ein sehr großer Einfluss des politischen, institutionellen und sozialen Rahmens auf das längerfristige Wirtschaftswachstum.[25] Bei der Betrachtung der Kolonialgeschichte deutet eine große empirische Evidenz auf die überragende Bedeutung robuster Eigentumsrechte hin. Die Beschränkung des Zugriffs von Politikern und gesellschaftlichen Eliten auf das Eigentum und ein glaubwürdiger Schutz vor Enteignung korrelieren mit einer deutlich höheren Spar- und Investitionsquote sowie einem deutlich höheren Wirtschaftswachstum.[26]



























































































































Wirtschaftswachstum in Zahlen (EU-27 2009/Prognose 2010)
In Prozent zum Vorjahr
Land

Eurozone
2009
2010

BelgienBelgien Belgien

!!

096,5! −2,8

099,8! 1,3

BulgarienBulgarien Bulgarien
 
098,4! −4,9

099,9! 0,0

DanemarkDänemark Dänemark
 
096,7! −4,7

100,3! 1,6

DeutschlandDeutschland Deutschland

!!

094,6! −4,7

100,3! 1,2

EstlandEstland Estland

!!

089,7! −13,9

099,2! 0,9

EuropaEuropa Europa (EU-27)
 
096,0! −4,2

099,9! 1,0

Eurozone Eurozone

!!

096,0! −4,1

099,9! 0,9

FrankreichFrankreich Frankreich

!!

097,0! −2,6

099,8! 1,3

GriechenlandGriechenland Griechenland

!!

099,1! −2,3

100,1! −3,0

FinnlandFinnland Finnland

!!

095,3! −8,0

100,2! 1,4

IrlandIrland Irland

!!

091,0! −7,6

097,4! −0,9

ItalienItalien Italien

!!

095,6! −5,0

100,1! 0,8

LettlandLettland Lettland

!!

086,9! −18,0

096,8! −3,5

LitauenLitauen Litauen

!!

089,0! −14,7

095,3! −0,6

LuxemburgLuxemburg Luxemburg

!!

097,0! −3,7

099,9! 2,0

MaltaMalta Malta

!!

099,1! −2,1

100,2! 1,1

NiederlandeNiederlande Niederlande

!!

096,5! −3,9

099,6! 1,3

OsterreichÖsterreich Österreich

!!

096,0! −3,9

099,9! 1,3

PolenPolen Polen
 
101,7! 1,7

100,8! 2,7

PortugalPortugal Portugal

!!

096,3! −2,6

099,2! 0,5

RumänienRumänien Rumänien
 
096,0! −7,1

100,0! 0,8

SchwedenSchweden Schweden
 
096,0! −5,1

100,8! 1,8

SlowakeiSlowakei Slowakei

!!

097,4! −4,7

100,7! 2,7

SlowenienSlowenien Slowenien

!!

096,4! −8,1

100,7! 1,1

SpanienSpanien Spanien

!!

096,8! −3,7

099,0! −0,4

TschechienTschechien Tschechien
 
097,3! −4,1

100,3! 1,6

UngarnUngarn Ungarn
 
093,7! −6,7

099,7! 0,0

Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich
 
096,2! −5,0

100,1! 1,2

Zypern RepublikZypern Zypern

!!

103,0! −1,7

100,7! −0,4

Quelle: Eurostat, Oktober 2010[27]

Ende August 2009 gab die OECD das Minus des Wirtschaftswachstums für die G-7 mit 3,7 % (statt 4,1 % im Juli), für die Eurozone mit 3,9 % (statt 4,8 % – die EZB gab gleichzeitig 4,1 % statt zuletzt 4,6 %[28]), für die USA unverändert 2,8 %.[29]


Ländervergleich 2000/1970 I




Ländervergleich 2000/1970 II



Wirtschaftswachstum als Ziel der Wirtschaftspolitik |


Wirtschaftliches Wachstum ist in vielen Volkswirtschaften eines der Hauptziele staatlicher Wirtschaftspolitik. In Deutschland ist ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum neben einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht, niedriger Arbeitslosigkeit und Stabilität des Preisniveaus als Eckpunkt des „magischen Vierecks“ im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 als Ziel der Wirtschaftspolitik verankert, § 1 Stabilitätsgesetz. „Stetiges“ Wirtschaftswachstum bedeutet, dass die kurzfristigen Konjunkturschwankungen um den langfristigen Wachstumspfad so weit wie möglich vermieden werden sollen. Rezessionen sollen durch staatliche Intervention abgeschwächt und Boomphasen durch Haushaltskonsolidierung eingeschränkt werden. Diese sogenannte antizyklische Wirtschaftspolitik wurde durch den Keynesianismus geprägt, hat allerdings in der haushaltspolitischen Praxis bis heute nicht funktioniert.



Bedeutung von Wirtschaftswachstum |



Wirtschaftswachstum und Beschäftigungssicherung |


Ein Wirtschaftswachstum wird von den meisten Ökonomen als notwendig angesehen, um eine Erhöhung der Arbeitslosenquote zu vermeiden oder diese zu verringern. Dies wird vor allem im Zusammenhang mit der sogenannten Beschäftigungsschwelle diskutiert. Diese versucht anzugeben, ab welchem Wirtschaftswachstum neue Stellen entstehen. Ursache für die Existenz einer solchen Beschäftigungsschwelle sind fortlaufende Rationalisierungsprozesse, durch die (nicht nur bei Wirtschaftsschrumpfung) Arbeitskräfte freigesetzt werden. Um diesen permanenten Abbau auszugleichen, muss (bei gleich bleibendem Arbeitsangebot) die Wirtschaft wachsen. Diese Annahmen beruhen auf dem Okunschen Gesetz, das weiterhin impliziert, dass auch bei starkem Wachstum aufgrund der Verbesserung der Kapazitätsauslastung mit einem proportional geringeren Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften gerechnet werden muss. Arthur Melvin Okun untersuchte empirisch den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit. Über die Phillips-Kurve können diese Werte unter bestimmten Voraussetzungen mit der Inflation verbunden werden. Die Beschäftigungsschwelle lag in Deutschland längere Zeit bei einem Wirtschaftswachstum von etwa 2 %. In der Folge sank sie auf 1 % im Jahre 2005. Das liegt jedoch immer noch über dem Durchschnitt der EU mit einem Produktivitätswachstum von 0,5 % im Jahr 2005. Durch die sogenannten Hartz-Reformen wird von den meisten Ökonomen ein Absinken der Beschäftigungsschwelle erwartet. Als Grund dafür wird angenommen, dass durch die Reform auch entstehende unattraktivere Stellen angenommen werden.


Wirtschaftliche Erholungsphasen führten zu einem in den 1990er Jahren als jobless recovery oder jobless growth genannten Effekt: Erholung und Wachstum ohne Schaffung neuer Arbeitsplätze. Erklärungsversuche beziehen Faktoren ein wie Automatisierung, Steigerung der Produktivität der Arbeitnehmer aufgrund des Okunschen Gesetzes und Verlängerungen der tatsächlichen Arbeitszeiten.



Wirtschaftskraft und Lebensqualität |


Hohe Korrelation mit dem Index der menschlichen Entwicklung

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gilt als Indikator für den Wohlstand und die Lebensqualität der Bevölkerung eines Landes.[30] Die Rangkorrelation zwischen BIP und dem Index der menschlichen Entwicklung (HDI), der zusätzlich zum Einkommen Indikatoren der Lebenserwartung und der Bildung erfasst, ist sehr hoch. Zwischen den im HDI festgehaltenen Indikatoren der Lebenserwartung und der Bildung besteht jeweils eine Korrelation um 0,8 mit der realen Kaufkraft je Einwohner. Tendenziell sind die Lebensbedingungen in einem Land umso besser, je größer die Wirtschaftskraft eines Landes ist.


Einschränkungen

Wirtschaftskraft und Wirtschaftswachstum (Bruttoinlandsprodukt) sind allerdings nicht als alleiniger Maßstab für die Lebensqualität der Bevölkerung eines Landes geeignet. Sie messen weder die Einkommensverteilung in einem Land (wenn wenige Reiche reicher würden und viele Arme arm blieben oder sogar ärmer werden, könnte dennoch die Wirtschaft ein Wachstum verzeichnen) noch die Gewichtung des privaten Verbrauchs, die Hausarbeit, ehrenamtliche Tätigkeiten, die Zugangsmöglichkeiten und Qualität des Gesundheits- und des Bildungswesens, die Kriminalitätsrate, Suchterkrankungen, Umweltbelastungen und deren mögliche Folgekosten usw.[31]


Daher wurden eine Vielzahl von alternativen/ergänzenden Indikatoren entwickelt. Am 17. Januar 2011 nahm beispielsweise die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft des Bundestages die Arbeit auf. Diese hat zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2013 einen Vorschlag für eine neue Messgröße für Wohlstand und Lebensqualität erarbeitet – die W3-Indikatoren.


Umfragen zeigen, dass ab einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von etwa 20.000 US-Dollar weiteres Wirtschaftswachstum seinen positiven Effekt auf das Glücksempfinden von Nationen verliert. Unter diesem Wert lässt sich noch eine relativ starke Korrelation zwischen der Zufriedenheit der Bevölkerung verschiedener Länder und ihrem durchschnittlichen Einkommen feststellen.[32]Tibor Scitovsky verband im Jahr 1976 die Entwicklung eines steigenden Konsums ohne eine entsprechend zunehmende Zufriedenheit der Menschen in Wohlstandsgesellschaften mit dem Begriff joyless economy (freudlose Wirtschaft).


Das nach Richard Easterlin benannte Easterlin-Paradox besagt, dass das Glücksempfinden nicht weiter zunimmt, wenn die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse erfüllt sind. Demnach gäbe es also zumindest in den Industrieländern keine Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Glücksempfinden. Easterlins Arbeit ist nicht unwidersprochen geblieben. Wolfers und Stevenson veröffentlichten 2008 eine Arbeit, in der sie Daten zu Glück und Einkommen in Vergleichen zwischen reich und arm innerhalb einer Gesellschaft, in Vergleichen zwischen armen und reichen Ländern und in intertemporalen Vergleichen analysierten. Dabei zeigte sich, dass der Zusammenhang zwischen subjektivem Glück und Einkommen für intranationale, internationale und intertemporale Vergleiche sehr ähnlich ist. Diese Ergebnisse widersprechen denen Easterlins, dessen Paradox auf der Annahme beruht, intranationale Vergleiche würden stärkere Glücksunterschiede bedeuten als internationale bzw. relatives Einkommen sei wichtiger für Zufriedenheit als absolutes Einkommen. In Ländern wie Japan oder Europa wuchs die subjektive Zufriedenheit zusammen mit dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen. Auch war der Zuwachs von Glück größer, wenn das Einkommenswachstum größer war.[33]


Noch problematischer wird der Indikator des Bruttoinlandsprodukts im Zeitalter der Digitalisierung, da der technische Fortschritt sogar negative Auswirkungen auf das Wachstum haben kann. Zumindest bildet das BIP das reale Wirtschaftsgeschehen in der zunehmend digitalisierten Dienstleistungsgesellschaft nicht mehr zuverlässig ab.[34] Zum einen entsteht durch neue Anwendungen im Internet, auf Smartphones oder auf dem 3D-Drucker Wert und es wird Zeit gespart, was sich aber nirgendwo in der gemessenen Wertschöpfung widerspiegelt, weil für die Nutzung nicht mit Geld gezahlt wird. Zum anderen werden bezahlte Tätigkeiten beim Steuerberater, im Reisebüro, in der Bank usw. durch Kundenselbstbedienung obsolet.



Zusammenfassung der Ziele |


Benjamin M. Friedman betont die weitreichende Bedeutung des Wirtschaftswachstums. Er argumentiert, dass Wirtschaftswachstum insbesondere in Entwicklungsländern neben der Anhebung des Lebensstandards politische und soziale Reformen fördert, wirtschaftliche Mobilität, Fairness und Toleranz ermöglicht und die Substanz der Demokratie bildet. Beispielsweise seien in den USA in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation oder Schrumpfung (1880er-, 1890er-, 1920er-Jahre und nach der Ölkrise) vermehrt negative Einstellungen bezüglich Immigration sowie verstärkte rassistische und religiöse Vorurteile aufgetreten, während die Großzügigkeit gegenüber den Armen und die Stärke der Demokratie in diesen Zeiten abgenommen hätten. Friedman hält es für unzutreffend, zwischen moralischem und materiellem Fortschritt einen Zielkonflikt zu sehen.[35]



Grenzen des Wachstums |




Seit dem Bericht von Dennis Meadows über die Grenzen des Wachstums wird u. a. vom Club of Rome diskutiert, ob ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum möglich ist. Im Wesentlichen gibt es hier zwei Positionen. Die eine Position – vertreten unter anderem von Herman Daly und der wachstumskritischen Bewegung – behauptet die Existenz prinzipieller Grenzen des Wachstums, da die physikalischen Grenzen des Verbrauchs von nicht-erneuerbaren Ressourcen (Rohstoffe und Energiequellen) auch für die Wirtschaft gelten, was langfristig eine Verringerung des Wachstums bis hin zu einer Postwachstumsökonomie oder sogar Schrumpfung zur Folge haben müsse.[36]


Die Vertreter der anderen Position glauben, dass es für Wachstum neue Möglichkeiten geben werde. Diese Position vertritt beispielsweise die Ökonomin Diane Coyle.[37] Als Möglichkeiten zur Überwindung der Grenzen des Wachstums werden zum Beispiel gesehen:


  • Immaterielles Wachstum durch eine Verlagerung des Wachstums vom industriellen Sektor in den Dienstleistungs- und Informationsbereich.


  • Qualitatives Wachstum, das aber nicht einheitlich definiert und schwer exakt quantifizierbar/messbar ist. Zum einen ist damit ein nachhaltiger Gebrauch von Ressourcen gemeint. Erschöpfliche Rohstoffe und Energieträger wie Erdöl müssten ersetzt werden durch unerschöpfliche wie Sonnenenergie.[38] Aber auch durch umweltorientierten technischen Fortschritt, z. B. durch Recycling, Miniaturisierung oder innovative neue Produkte könne es „zu einer Entkopplung von Wachstum und der Nutzung natürlichen Kapitals bzw. der Natur als Senke kommen“.[39]

Schließlich kann auch durch die Digitalisierung das Wachstum zurückgehen, da viele Dienstleistungstätigkeiten durch unbezahlte Internetaktivitäten der Kunden ersetzt werden. Daher hält auch Christine Lagarde das Bruttoinlandsprodukt als alleiniger Wachstumsindikator für überholt.[40]


Julian L. Simon war ein wichtiger Vertreter der optimistischen Sicht. Der Verbrauch von nicht-erneuerbaren Ressourcen stelle keine ernsthafte Gefahr für das Wirtschaftswachstum dar, da die menschliche Kreativität (die ultimative Ressource) bei ausreichender Knappheit für Substitute sorgen würde.



Von der Wachstumsökonomie zur Postwachstumsökonomie |


Die positive Einstellung gegenüber Wachstum und Fortschritt wird u. a. auf die calvinistische Prädestinationslehre zurückgeführt, die den wirtschaftlichen Erfolg als Weg zu Gottes Liebe deklariert. In der frühmodernen Wirtschaftstheorie des Merkantilismus erkannte man das Wirtschaftswachstum als Ausdruck für politische Macht: Technik und Gewerbe wurden gefördert und gewannen an sozialer Achtung. In der anschließenden Epoche der Industrialisierung entstand die moderne „Wachstumsideologie“: Unbegrenztes Wirtschaftswachstum wurde zum zentralen Ziel aller wirtschaftstheoretischer Schulen,[41] obwohl bereits Adam Smith (Begründer der klassischen Nationalökonomie) im 18. Jahrhundert nur glaubte, dass der Prozess wahrscheinlich nie zu einem Ende kommen würde.[42]


Für Kritiker sind die Kennzeichen einer Ideologie immer noch vorhanden, denn Wachstum wird aufgrund der Tatsache, dass es in der Vergangenheit lange Zeit mit der Steigerung des Wohlstandes korrelierte, von den herrschenden Wirtschaftsmodellen und der Politik unreflektiert in die Zukunft projiziert. Diese Vorstellung wird beibehalten, obwohl mittlerweile anhaltende Massenarbeitslosigkeit, Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherungssysteme, steigende Staatsverschuldung, stagnierende bzw. sogar zeitweise sinkende Masseneinkommen und zunehmende ökologische Probleme trotz Wachstum auftreten. Seit den 1970er Jahren ist eine Abkopplung der Wohlstandsentwicklung vom Wachstum des Sozialprodukts zu beobachten. Der Volkswirt Norbert Reuter plädiert daher für eine Abkehr von der überholten Wachstumsideologie hin zum Postwachstum als neuem wirtschaftlichen Leitbild: „Insofern ist in den reichen Industrieländern ein Verzicht auf weiteres Wachstum nicht notwendigerweise mit sinkendem Wohlstand verbunden. Die Hinweise mehren sich, dass möglicherweise sogar das Gegenteil der Fall ist.“[43]


Theorien einer Postwachstumsökonomie postulieren, dass weiteres Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) keine Option für die Gestaltung moderner Gesellschaften sein kann. Sie versuchen Faktoren zu identifizieren, die dazu führen, dass Industriegesellschaften auch und gerade durch permanentes Wachstum nicht zu stabilisieren sind. Ihre Stabilisierung hängt von Bedingungen ab, die langfristig nicht erfüllbar sind, z. B. von der Verfügbarkeit fossiler Energieträger als Voraussetzung eines weltweiten Transportsystems, welches die derzeitigen Effizienzvorteile einer global arbeitsteiligen Fremdversorgung sicherstellt.[44] Gewarnt wird vor einem Kipppunkt (tipping point), bei dem die Ressourcenerschöpfung eine gefährliche Kettenreaktion des Schrumpfens der Weltwirtschaft auf unbestimmte Zeit hervorruft.[45] Stattdessen schlagen die Vertreter der Postwachstumsökonomie nachhaltige Versorgungssysteme mit einem hohen lokalen Selbstversorgungsanteil vor, die ohne Wachstum aufrechtzuerhalten sind. Mehrere Denkfabriken wie die britische New Economics Foundation befassen sich mit der Strategieentwicklung für eine Postwachstumswirtschaft.


Neben der eigentlichen wachstumskritischen Bewegung spielen diese Themen auch im Transition Movement eine wichtige Rolle. Diese soziale Bewegung versucht, die lokale Resilienz im Kontext von drohender Energieverknappung und Klimawandel zu erhöhen.[46] Zu den Strategievorschlägen dieser Bewegung gehören:


  • Downshifting

  • Freiwillige Simplicity, also Einfaches Leben, wie es z. B. auch von den Quäkern propagiert wird

  • Ökosiedlungen und Transition Towns

  • Lokaler Tauschhandel.


Wirtschaftswachstum aus systemtheoretischer Sicht |




Industrielle Agrarsysteme, die mit enormem Aufwand betrieben werden, eignen sich zur Erforschung des Wirtschaftswachstums aus systemtheoretischer Sicht


Die Wirtschaft unterliegt als funktionales Gebilde aus agierenden und reagierenden Elementen sowie zwischen ihnen ablaufenden Vorgängen Gesetzmäßigkeiten, wie sie bei natürlichen Systemen zu beobachten sind.[47] Viele Systemtheoretiker (z. B. Talcott Parsons und Niklas Luhmann) haben sich intensiv damit befasst, dieses Wissen auf Wirtschaftssysteme zu übertragen.


Niklas Luhmann sieht im Wirtschaftswachstum eine Wunschvorstellung, welche die „unsichtbare Hand“ bereits im 18. Jahrhundert als Fortschrittsgarantie zur „Invisibilisierung“ des Knappheitsparadoxons einsetzte: Wirtschaft gibt es nach Luhmann nicht damit Menschen Zugriff auf knappe Güter haben, sondern sie erschafft sich aus sich selbst heraus, indem sie laufend Bedürfnisse erzeugt und befriedigt, die sie in Gang halten. Die Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums als „Bedingung gesellschaftlicher Stabilität“ betrachtet Luhmann als eine Suggestion für Politiker und die Öffentlichkeit. Die Suggestion funktioniere, da hier „mit zeitlicher Asymmetrie spekuliert“ werde,[48] d. h. es werden Ressourcen in der Gegenwart genutzt, für die kommende Generationen in der Zukunft zahlen müssen. Wenn das nicht mehr möglich sei, müsse man sich mit den externen Kosten und ökologischen Folgen auseinandersetzen. Wirtschaftswachstum, das absehbar nur kurzfristig stattfinde und die Lebensressourcen der nachfolgenden Generationen übermäßig verknappe, könne die gesellschaftliche Stabilität beeinträchtigen. Dies könne bereits in der Gegenwart zu größeren Generationenkonflikten und zukünftig zu existentiellen Probleme führen.[49]


Auffällig ist in diesem Zusammenhang das Phänomen des exponentiellen Wirtschaftswachstums.[50]Frederic Vester hat sich intensiv damit befasst. Zuerst definierte er „normales Wachstum“ in lebenden Systemen: Es erfolge immer nur in einer kurzen Phase, die durch negative Rückkopplungsmechanismen begrenzt wird. Im darauffolgenden, stationären Zustand könnten Umstrukturierungen erfolgen, bevor ggf. erneutes Wachstum ohne schädliche Folgen für das System ermöglicht werde. Vester weist an Beispielen nach, dass dieses Verhalten auch für komplexe Systeme gilt, in denen menschliches Handeln ein wesentlicher Faktor ist, also z. B. für Landnutzungs-Systeme. Wird hierbei jedoch durch menschliches Fehlverhalten die vorgenannte Wachstumsregulierung außer Kraft gesetzt, kann zwar noch weiteres exponentielles Wachstum erzwungen werden, das aber bei ungebremster Weiterentwicklung abrupt abbrechen und zum Zusammenbruch des Systems führen könnte. Jeder Eingriff an einer Komponente könne vielfältige Wirkungen auslösen, die nicht beabsichtigt und schwer vorhersehbar seien und zu irreversiblen Entwicklungen führe. Dies sei oft der Fall, wenn gleichzeitig zu hohe Anforderungen und zu abrupte Maßnahmen zur Ertragssteigerung an moderne agrarische Systeme gestellt würden. Traditionelle Agrarsysteme haben sich hingegen über lange Zeiträume hin kontinuierlich entwickelt. Da ihre Betreiber auf deren Überlebensfähigkeit bedacht sind, dürften sie einen systemgerechten Umgang mit einem „natürlichen Wachstum“ beherrschen.[51]



Siehe auch |


  • Liste der Länder nach Wirtschaftswachstum


Literatur |


  • Douglas E. Booth: Hooked on Growth. 2004, ISBN 0-7425-2718-2.

  • Herman E. Daly: Beyond Growth – The Economics of Sustainable Development. 1997, ISBN 0-8070-4709-0.


  • Elhanan Helpman: The Mystery of Economic Growth. 2004, ISBN 0-674-01572-X.

  • Mats Larsson: The Limits of Business Development and Economic Growth. 2005, ISBN 1-4039-4239-0.


  • Mancur Olson: Aufstieg und Niedergang von Nationen: ökonomisches Wachstum, Stagflation und soziale Starrheit. (engl. Originaltitel: The Rise and Decline of Nations. 1982). Mohr, Tübingen 1985, ISBN 3-16-944810-2.

  • Robert J. Barro: Determinants of Economic Growth: A Cross-Country Empirical Study. MIT Press, Cambridge, MA 1997.

  • Robert J. Barro, Xavier Sala-i-Martin: Economic Growth. 2. Auflage. 2003.

  • Georg Erber, Harald Hagemann: Growth, Structural Change, and Employment. In: Klaus F. Zimmermann (Hrsg.): Frontiers of Economics. Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg/ New York, 2002, S. 269–310.

  • Duncan K. Foley: Growth and Distribution. Harvard University Press, Cambridge, MA 1999.

  • Oded Galor: From Stagnation to Growth: Unified Growth Theory. Handbook of Economic Growth, Elsevier, 2005.

  • Roger Garrison: Time and Money. 1998.

  • Clive Hamilton: Growth Fetish. 2002.

  • Charles I. Jones: Introduction to Economic Growth. 2. Auflage. W. W. Norton & Company, New York, N.Y 2002, ISBN 0-393-97745-5.

  • Israel Kirzner: Competition and Entrepreneurship. 1973.


  • Robert E. Lucas Jr.: The Industrial Revolution: Past and Future. Federal Reserve Bank of Minneapolis, Annual Repor. 2003. online edition

  • Ludwig E. Mises: Human Action. 1949. (1998 reprint by the Mises Institute)

  • Joseph A. Schumpeter: The Theory of Economic Development. 1912. (1982 reprint, Transaction Publishers)

  • Joseph A. Schumpeter: Capitalism, Socialism, and Democracy. Harper Perennial, 1942.

  • David N. Weil: Economic Growth. 2. Auflage. Addison Wesley, 2008, ISBN 978-0-321-41662-9.

  • Lars Weber: Demographic Change and Economic Growth – Simulation on Growth Models. Physica, 2010, ISBN 978-3-7908-2589-3.


Weblinks |



 Wiktionary: Wirtschaftswachstum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

  • Daten und Informationen der Weltbank zu Wachstum und Entwicklung.

  • Informationen der OECD zu Wirtschaftswachstum.


  • Das Wachstumsparadigma im Deutschen Bundestag, IASS-Studie, Oktober 2016, von Manuel Rivera, Claudia Saalbach, Franziska Zucher und Moritz Mues


Einzelnachweise |



  1. Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. 5. Auflage. Bibliographisches Institut, Mannheim 2013. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2013.


  2. ab Horst Seidel, Rudolf Temmen: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre. 26. Auflage. Bildungsverlag EINS, 2008, ISBN 978-3-441-00194-2, S. 383.


  3. Rick Szostak, The Causes of Economic Growth: Interdisciplinary Perspectives, Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 9783540922827, S. 24


  4. Michael Frenkel, Hans-Rimbert-Hemmer: Grundlagen der Wachstumstheorie. 1. Auflage. Vahlen-Verlag, München 1993, ISBN 3-8006-2396-X.


  5. Rick Szostak, The Causes of Economic Growth: Interdisciplinary Perspectives, Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 9783540922827, S. 24


  6. Rick Szostak, The Causes of Economic Growth: Interdisciplinary Perspectives, Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 9783540922827, S. 24


  7. Rick Szostak, The Causes of Economic Growth: Interdisciplinary Perspectives, Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 9783540922827, S. 25


  8. Jyot Hosagrahar "Culture: at the heart of SDGs", UNESCO-Kurier, April-Juni 2017.


  9. Kay Bourcarde, Christian Tripp: Ausweg qualitatives Wachstum? In: Zeitschrift für Wachstumsstudien. Ausgabe 2, 2006, ISSN 1863-947X, S. 25–27. (PDF; 0,16 MB)


  10. Markus Diem Meier: Volkswirtschaftslehre. Compendio Bildungsmedien AG, 2003, ISBN 3-7155-9119-6, S. 36.


  11. Wachstum. In: Gabler Wirtschaftslexikon. Springer Gabler Verlag.


  12. vgl. William Easterly: National policies and economic growth: A reappraisal. In: Philippe Aghion, Steven Durlauf (Hrsg.): Handbook of Economic Growth. Elsevier, 2005, ch. 15.


  13. vgl. Jürgen Stark: Zur Bedeutung von Institutionen in der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung. öffentl. Antrittsvorlesung an der Eberhard Karls Universität zu Tübingen am 1. Juni 2005 unter Verweis auf Douglas North (1991), S. 5.


  14. Rick Szostak, The Causes of Economic Growth: Interdisciplinary Perspectives, Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 9783540922827, S. 21


  15. Gregory Mankiw: Principles of Macroeconomics. South Western Educ Pub, 2007, ISBN 978-0-324-37653-1, Kapitel 12.


  16. O. Blanchard, G. Illing: Makroökonomie. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. 2009, S. 324.


  17. O. Blanchard, G. Illing: Makroökonomie. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. 2009, S. 335 f.


  18. Elahanan Helpman: The Mysthery of Economic Growth. Belknap Press, 2004, ISBN 0-674-01572-X, S. 24.


  19. O. Blanchard, G. Illing: Makroökonomie. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. 2009, S. 338 ff.


  20. O. Blanchard, G. Illing: Makroökonomie. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. 2009, S. 342 ff.


  21. Paul Krugman, The Myth of Asia’s Miracle], Foreign Affairs. 73 (6), S. 68


  22. Illing Blanchard: Makroökonomie – Handbuch für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. 3. Auflage. Pearson Studium, 2004, ISBN 3-8273-7051-5, Kapitel 12.


  23. vgl. Jürgen Stark: Zur Bedeutung von Institutionen in der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung. öffentl. Antrittsvorlesung an der Eberhard Karls Universität zu Tübingen am 1. Juni 2005, S. 13.


  24. dazu Christoph Ludewig, Dirk Buschmann, Nicolai Herbrand: Silicon Valley - Made in Germany. 2000, S. 275; zum Beispiel auch Wolfgang Rössler, Margaret Childs: Wien als Sprungbrett für Südosteuropa. In: Die Presse. 20. September 2014; Sebastian Buckup: Ein Schlüssel zu mehr Produktivität. In: .Die Zeit. 3. September 2015.


  25. Rick Szostak, The Causes of Economic Growth: Interdisciplinary Perspectives, Springer Science & Business Media, 2009, ISBN 9783540922827, S. 21–22.


  26. Daron Acemoglu, Introduction to Modern Economic Growth, Princeton University Press, 2008, ISBN 9781400835775, S. 121, 136-137


  27. Eurostat, abgerufen am 15. Oktober 2010.


  28. EZB hebt Prognose an und teilt mehr Geld zu. In: Salzburger Nachrichten. 4. September 2009, Börsen/Anzeigen, S. 13. 


  29. OECD verbreitet Zuversicht. In: Salzburger Nachrichten. 4. September 2009, Börsen/Anzeigen, S. 13. 


  30. Wolfgang Cezanne: Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2005, ISBN 3-486-57770-0, S. 497f.


  31. Hans Diefenbacher, Roland Zieschank: Wohlfahrtsmessung in Deutschland: Ein Vorschlag für einen neuen Wohlfahrtsindex. Heidelberg/Berlin 2008. (PDF-Datei; 2,3 MB)


  32. Richard Layard: Die glückliche Gesellschaft. Kurswechsel für Politik und Wirtschaft. Campus-Verlag, Frankfurt/ New York 2005, ISBN 3-593-37663-6, S. 43 ff.


  33. B. Stevenson, J. Wolfers: Economic Growth and Subjective Well-Being: Reassessing the Easterlin Paradox. (Memento vom 22. April 2008 im Internet Archive) Brookings Papers on Economic Activity, Spring 2008.


  34. Vera Demary: Digitalisierung, Vernetzung und Strukturwandel: Wege zu mehr Wohlstand. Erster IW- Strukturbericht. Institut der deutschen Wirtschaft Köln / Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult (Hrsg.), 2015.


  35. Interview mit Friedman zu The Moral Consequences of Economic Growth. (Memento vom 3. April 2012 im Internet Archive) 27. Oktober 2005.


  36. Fred Luks: Bis zum bösen Ende?, Die Zeit 01/99.


  37. Diane Coyle: The Weightless World: Thriving in the Digital Age. 1997.


  38. Helge Majer: Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung. Oldenbourg 1998, ISBN 3-486-24557-0.


  39. Michael von Hauff: Von der Sozialen zur Nachhaltigen Marktwirtschaft. In: Michael von Hauff (Hrsg.): Die Zukunftsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft. Metropolis-Verlag, 2007, ISBN 978-3-89518-594-6, S. 353.


  40. Thomas Straubhaar: Das BIP hat als Kompass für Wachstum ausgedient. In: Die Welt. 26. Januar 2016. welt.de.


  41. Luitpold Uhlmann: Technikkritik und Wirtschaft. (= Schriftenreihe des IFO-Instituts für Wirtschaftsforschung. Nr. 124). Duncker & Humblot, Berlin/ München 1989, ISBN 3-428-06628-6, S. 24.


  42. Erich Hassinger, Hugo Ott: Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft. Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-03267-5, S. 376.


  43. Norbert Reuter: Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität. Wirtschaftspolitische Leitbilder zwischen Gestern und Morgen. Mit Texten zum Thema von John Maynard Keynes und Wassily W. Leontief. Metropolis, Marburg 1998. (pdf-Textausschnitt, S. 6, 2–3.) (Memento des Originals vom 5. Mai 2015 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.postwachstum.de


  44. Vgl. z. B. Boris Woynowski u. a. (Hrsg.): Wirtschaft ohne Wachstum?! Notwendigkeit und Ansätze einer Wachstumswende. Universität Freiburg, Arbeitsberichte des Instituts für Forstökonomie 59 (2012), Einleitung, S. 7.


  45. Siehe die Studie des Zentrums für Transformation der Bundeswehr (ZTransfBw): Peak Oil – Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen. Strausberg 2010 Download (PDF).


  46. Website von transitionnetwork.org


  47. Systemtheorie. In: Springer Gabler Verlag (Hrsg.): Gabler Wirtschaftslexikon online. abgerufen am 2. Januar 2017.

    • Philipp Herder-Dorneich, Karl-Ernst Schenk, Dieter Schmidtchen (Hrsg.): Von der Theorie der Wirtschaftssysteme zur ökonomischen Systemtheorie. In: Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie. 14. Band, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1995, ISBN 3-16-146507-5, S. 1–11.



  48. Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft. 1988, ISBN 3-518-28752-4, S. 99f., Kapitel 3.IV.


  49. Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft. 1988, ISBN 3-518-28752-4, S. 99ff Kapitel 3.IV Wachstum, S. 169 Kapitel 5.V Lebensressourcen und S. 177ff Kapitel 6 Knappheit.


  50. Karl Farmer: Beiträge zur wirtschaftstheoretischen Fundierung ökologischer und sozialer Ordnungspolitik. LIT-Verlag, Wien 2005, ISBN 3-8258-8444-9, S. 37–40, 94–96.


  51. Franz Rothe: Kulturhistorische und kulturökologische Grundlagen der Intensivierungs- und Bewässerungstechniken traditioneller Agrarkulturen in Ostafrika: Ihr Entwicklungshintergrund und ihre Überlebensfähigkeit. Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., 2004, S. 71–78.








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