Oberschlesien






Lage Oberschlesiens




Wappen der Provinz Oberschlesien
1919–1938





Oppeln mit Oder




Oberschlesien 1905


Oberschlesien (deutscher schlesischer Dialekt: Aeberschläsing oder Oberschläsing, polnisch: Górny Śląsk, polnischer oberschlesischer Dialekt: Gůrny Ślůnsk, tschechisch: Horní Slezsko) ist der südöstliche Teil der historischen Region Schlesien, der heute größtenteils in Polen (in der Woiwodschaft Oppeln und der Woiwodschaft Schlesien) liegt. Der Westteil des bis 1918 bei Österreich verbliebenen Österreichisch-Schlesien gehört hingegen zu Tschechien.


Als historische Hauptstadt Oberschlesiens gilt die Stadt Oppeln. Im östlichen Teil Oberschlesiens erstreckt sich das weiträumige oberschlesische Industriegebiet mit dem Zentrum Kattowitz.




Inhaltsverzeichnis





  • 1 Politikhistorischer Überblick


  • 2 Geografie

    • 2.1 Administrative Zugehörigkeit


    • 2.2 Städte



  • 3 Geschichte

    • 3.1 Mittelalter


    • 3.2 Sprachenentwicklung


    • 3.3 Entwicklung der ethnolinguistischen Struktur


    • 3.4 Volksabstimmung und Teilung 1922


    • 3.5 Das geteilte Oberschlesien


    • 3.6 Zweiter Weltkrieg


    • 3.7 Unmittelbare Nachkriegszeit


    • 3.8 Kommunistische Zeit



  • 4 Sehenswürdigkeiten

    • 4.1 Wallfahrtsort St. Annaberg


    • 4.2 Oppeln


    • 4.3 Kattowitz


    • 4.4 Weitere Sehenswürdigkeiten


    • 4.5 Schrotholzkirchen


    • 4.6 Burgen und Schlösser



  • 5 Bevölkerung


  • 6 Autonomiebewegung


  • 7 Kultur

    • 7.1 Architektur


    • 7.2 Feiertage


    • 7.3 Traditionen, Bräuche, Feste


    • 7.4 Küche


    • 7.5 Tracht



  • 8 Medien


  • 9 Persönlichkeiten


  • 10 Siehe auch


  • 11 Literatur


  • 12 Weblinks


  • 13 Einzelnachweise




Politikhistorischer Überblick |


Im frühen Mittelalter gehörte Oberschlesien zum Großmährischen Reich, dann zu Polen, und ab 1348 zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Innerhalb des Reiches wechselte jedoch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Teilstaaten. Zunächst gehörte es zu den Ländern im Besitz des Königreichs Böhmen. Als dieses 1526 an die Habsburger fiel, wurde Schlesien Teil Österreichs. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1740–1742 wurde der Großteil Nieder- und Oberschlesiens an Preußen abgetreten und später zur preußischen Provinz Schlesien reorganisiert. Ein kleinerer Teil verblieb als Österreichisch-Schlesien unter der Herrschaft der Habsburger. Von 1348 bis zu dessen Ende, im Rahmen der Napoleonischen Kriege, am 6. August 1806 blieb Oberschlesien staatsrechtlich teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Danach blieb es Teil Preussens bzw. Österreichs (Österreichisch Schlesien). Von 1815 bis 1866 war Oberschlesien als Teil Preussens bzw. Österreichs ein Territorium innerhalb des Deutschen Bundes. Nach 1871 wurde die preußische Provinz Teil des zweiten Deutschen Kaiserreiches. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu einer Volksabstimmung in einem Teil Oberschlesiens (Abstimmungsgebiet), bei der 59,6 Prozent der Oberschlesier im Abstimmungsgebiet für Deutschland votierten. Trotz diesen Votums wurde Oberschlesien danach dreigeteilt, ein kleiner Teil (das sogenannte Hultschiner Ländchen) kam ohne Volksabstimmung, zur neu gegründeten Tschechoslowakei, der größte Teil des oberschlesischen Industriegebietes kam zu Polen und der flächenmäßig und bevölkerungsmäßig größte Teil verblieb bei Deutschland. 1945 kam dann auch der bei Deutschland verbliebene Teil Oberschlesiens zu Polen.


Jahrhundertelang war Oberschlesien sprachliches Mischgebiet, am Vorabend des Ersten Weltkrieges hatten im deutschen Teil 45 Prozent, im österreichischen Teil 43 Prozent der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache.


Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1742 wurde Schlesien und damit der Großteil Oberschlesiens von Preußen erobert. Die Teile, die nicht an Preußen fielen, bezeichnete man als Österreichisch-Schlesien und heute (bis auf den Bereich östlich der Olsa, der 1920 zu Polen kam) als Tschechisch-Schlesien.


1919 wurde aus dem Regierungsbezirk Oppeln die eigenständige preußische Provinz Oberschlesien gebildet, zuvor hatte das Gebiet zur preußischen Provinz Schlesien gehört. 1920 kam der Osten des Teschener Schlesiens (Olsagebiet) an Polen, 1922 auch der Osten der Provinz Oberschlesien. Beide zusammen bildeten die Autonome Woiwodschaft Schlesien. Durch die Westverschiebung Polens kam Oberschlesien 1945 zur Volksrepublik Polen. Im Jahre 1990 erkannte die Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung im Zwei-plus-Vier-Vertrag die Oder-Neiße-Grenze und somit die Abtrennung Oberschlesiens von Deutschland an.



Geografie |


Durch Erbteilung unter den Piasten und andere Geschehnisse war Schlesien wie viele Regionen Europas in viele Herrschaftsgebiete zersplittert. Ohne dass eine offizielle Zweiteilung bestanden hätte, hatte sich für den Nordwesten mit 16 Herzog- und Fürstentümern die Bezeichnung Niederschlesien eingebürgert, für den Südosten mit acht Herzog- und Fürstentümern die Bezeichnung Oberschlesien. Beide umfassten darüber hinaus noch ein paar kleinere Herrschaften.


Bevor im 19. Jahrhundert die Verwaltungsstrukturen gestrafft wurden, hatte Oberschlesien die Herzog- und Fürstentümer Teschen (Księstwo Cieszyńskie), Troppau (Knížectví opavské), Jägerndorf (Krnovské knížectví), Oppeln (Księstwo opolskie), Ratibor (Ratibořské knížectví), Bielitz (Księstwo Bielskie), Pleß (Księstwo Pszczyńskie) und Beuthen (Księstwo bytomskie) umfasst.


Als historische Landschaft grenzt Oberschlesien an die historischen Landschaften Niederschlesien im Nordwesten, Großpolen im Norden, Kleinpolen im Osten und Mähren im Süden.


Die preußische Provinz Oberschlesien und die 1922 davon abgetrennte Autonome Woiwodschaft Schlesien grenzten an die preußische Provinz Niederschlesien, an die Woiwodschaften Posen (zuvor preußische Provinz Posen), Lodsch, Kielce und Krakau, sowie das tschechoslowakische Land Schlesien, das 1928 mit dem Land Mähren zum Land Mähren-Schlesien vereinigt wurde.


Die heutigen Woiwodschaften Schlesien und Oppeln, die die ehemalige preußische Provinz umfassen, allerdings nach Westen und Osten darüber hinausgehen, grenzen an die Woiwodschaften Niederschlesien, Großpolen, Lodsch, Heiligkreuz und Kleinpolen, sowie an den Mährisch-Schlesischen Kraj und den Olmützer Kraj Tschechiens.


Bedeutende Flüsse Oberschlesiens sind u. a. die Weichsel, die Oder, die Olsa (tsch.: Olza, poln.: Olza). die Malapane (Mała Panew), die Glatzer Neiße (Nysa Kłodzka), die Oppa (tsch.: Opava, poln.: Opawa), die Raude (poln.: Ruda) und die Klodnitz (Kłodnica).


Die höchste Erhebung der beiden oberschlesischen Woiwodschaften ist der 1220 m hohe Widderberg (Barania Góra) in Schlesische Beskiden. Der höchste Berg im tschechischen Teil Schlesiens ist der 1491 m hohe Altvater (Praděd) im Hrubý Jeseník (Altvatergebirge).



Administrative Zugehörigkeit |


Administratorisch gehört Oberschlesien, das heute keine politische Einheit bildet, im Westen zur Woiwodschaft Oppeln, im Osten zur Woiwodschaft Schlesien, im Süden zum Mährisch-Schlesischen Kraj und ein kleiner Teil im Südwesten zum Olmützer Kraj.



Städte |


Zu den oberschlesischen Orten mit mehr als 100.000 Einwohnern zählen Katowice (Kattowitz), Gliwice (Gleiwitz), Zabrze (Hindenburg O.S.), Bytom (Beuthen), Ruda Śląska (Ruda), Rybnik, Tychy (Tichau), Opole (Oppeln) und Chorzów (Königshütte).



Geschichte |




Oberschlesien 1746




Regierungsbezirk Oppeln 1818




Die Alte Regierung in Oppeln (1945 zerstört) diente von 1833 bis 1934 der oberschlesischen Regierung als Sitz.




Das in den 1930er Jahren erbaute Regierungsgebäude mit Piastenturm in Oppeln – heute Woiwodschaftsamt




Mittelalter |


Nach der Völkerwanderungszeit kamen die slawischen Opolanen (nach ihnen ist die Hauptstadt Oppeln benannt) ins Land und vermischten sich möglicherweise vereinzelt mit zurückgebliebenen Germanen und Kelten. Mieszko I. gliederte Schlesien dem polnischen Piastenreich ein. Als Polen in Teilherzogtümer zerfiel, schlossen sich die schlesischen Piasten dem Heiligen Römischen Reich an. Zweige der Dynastie hielten sich hier länger als in Polen. Wenig später kam Schlesien unter böhmische Oberhoheit. Eng mit Böhmen verbunden blieb es bis zu den Schlesischen Kriegen Friedrichs des Großen.


Nach dem Mongolensturm (Schlacht bei Liegnitz (1241)) kamen deutsche Siedler auch nach Oberschlesien, allerdings wegen der größeren Entfernung in geringerer Zahl als in die westlichen Teile des Landes. Als dann in den Jahren 1347/48 die Große Pest im Reich ausbrach, nahm der Strom der Zuwanderer aus dem Reich stark ab und die Ostsiedlung kam praktisch zum Erliegen. Dadurch stockte im Gegensatz zu Niederschlesien der sprachliche Assimilierungsprozess. Da Schlesien eng mit Böhmen verbunden war, war zeitweise Tschechisch die wichtigste Urkundensprache.



Sprachenentwicklung |


Während die Niederschlesier zu etwa 96 Prozent deutschsprachig waren, gaben 53 Prozent der Oberschlesier Polnisch als Erstsprache an.[1] Wobei unter polnischer Sprache hier vor allem der schlesische Dialekt, der auch Wasserpolnisch genannt wurde, zu sehen ist, der mit zahlreichen Germanismen und tschechischen Einflüssen versetzt war. Neben diesem Dialekt sprachen die meisten als Zweitsprache Deutsch, in der Dialektform Oberschlesisch, der sich vom Hochdeutschen durch besonders harte Rachenlaute und systematische Entrundung der vorderen gerundeten Vokale (zum Beispiel Bühne = Biene, lösen = lesen) unterschied, was auch sonst für Deutschsprechende mit slawischer Muttersprache charakteristisch ist.


Die Bedeutung der deutschen Sprache verstärkte sich mit Verstädterung und der Industrialisierung des oberschlesischen Industriegebietes. Es kamen zu den (Wasser-)polnisch sprechenden Oberschlesiern weiterhin viele Deutsche aus Niederschlesien oder den benachbarten sudetendeutschen Gebieten und außerdem eine große Zahl von Polen aus der Provinz Posen oder dem angrenzenden russischen „Kongresspolen“ nach Oberschlesien. Trotz oder gerade wegen dieser schwierigen und komplexen sprachlichen Situation – im südlichen Landesteil wurde zudem Lachisch gesprochen, das dem Tschechischen sehr nahesteht – war das Zusammenleben der Bevölkerungsteile bis zum Ersten Weltkrieg friedlich, die Loyalität zum Deutschen Reich drückte sich unter anderem in der großen Dominanz der katholischen Zentrumspartei aus. Vor dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Lage, die Nationalitätenfrage trat nun offen hervor. Durch die Gründung zahlreicher polnischer Vereine und Zeitungen versuchten polnische Nationalisten (auch aus den polnischen Teilungsgebieten) ein nationales (polnisches) Bewusstsein der slawophonen Oberschlesier zu wecken. So erreichte bei der Reichstagswahl 1907 die Polenpartei mit 39,5 Prozent die Mehrheit der Stimmen in Oberschlesien,[2] bzw. dem Regierungsbezirk Oppeln, die Mehrheit der Mandate behielt jedoch das Zentrum (31,7 Prozent).[3] In einigen Wahlkreisen hatte die Polenpartei die absolute Mehrheit erreicht.


Außerhalb des Industriegebietes, den Gebieten um Oppeln, dem späteren Westoberschlesien konnte sich die ursprüngliche Situation erhalten, jedoch verlor der schlesische Dialekt des Polnischen besonders in der Zwischenkriegszeit immer mehr Sprecher, zumal nicht wenige polnischsprachige Einwohner in das polnisch gewordene Ostoberschlesien abwanderten.


Nach dem Ersten Weltkrieg versuchte man mit der Gründung der Provinz Oberschlesien 1919 den sprachlich/kulturellen Unterschieden der Region im Vergleich zum Rest Schlesiens Rechnung zu tragen.



Entwicklung der ethnolinguistischen Struktur |


















































Zahl der Polnischsprachigen und Deutschsprachigen Bevölkerung (Regierungsbezirk Oppeln)
Jahr1819[4]1828[5]1831[5]1837[5]1840[5]1843[5]1846[5]1852[5]1858 [5]1861[5]1867[5]1890[6]1900[6]1905[6]1910 [6]
Polnisch377,100 (67,2 %)
418,437456,348495,362525,395540,402568,582584,293612,849665,865742,153918,728 (58,2 %)
1,048,230 (56,1 %)
1,158,805 (56,9 %)
1,169,340 (53,0 %)
Deutsch162,600 (29,0 %)
255,383257,852290,168330,099348,094364,175363,990406,950409,218457,545566,523 (35,9 %)
684,397 (36,6 %)
757,200 (37,2 %)
884,045 (40,0 %)


Volksabstimmung und Teilung 1922 |




Teilung Oberschlesiens

  • Deutsches Reich


  • Polen


  • Tschechoslowakei





  • Volksabstimmung in Oberschlesien 1921:
    Reichsgrenze 1918, oberschlesische Kreise, niederschlesische Kreise

  • Tschechoslowakei (ohne Volksabstimmung)

  • Polen (ohne Volksabstimmung)

  • aufgrund der Abstimmung an Polen gekommen

  • aufgrund der Abstimmung bei Deutschland geblieben

  • ohne Volksabstimmung bei Deutschland geblieben





  • Oberschlesier warten auf das Ergebnis der Abstimmung



    Nach dem Ersten Weltkrieg sollten nach dem Versailler Vertrag Teile des Grenzverlaufs zwischen Polen und Deutschland über Volksabstimmungen geregelt werden. Die Interalliierte Regierungs- und Plebiszitskommission für Oberschlesien, der die Leitung der Volksabstimmung oblag, hatte laut Vertrag die Aufgabe, die gemeindeweisen Ergebnisse dem alliierten Obersten Rat mitzuteilen und einen Vorschlag über die Linie einzureichen, „die in Oberschlesien unter Berücksichtigung sowohl der Willenskundgebung der Einwohner als auch der geographischen und wirtschaftlichen Lage der Ortschaften als Grenze Deutschlands angenommen werden soll“.[7] Die letzte Entscheidung über den festzusetzenden Grenzverlauf sollte dem Obersten Rat vorbehalten bleiben. Zwischen Kriegsende und Abstimmung kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Einwohnern, die den Anschluss an Polen forderten, und deutschen Polizeieinheiten sowie Freikorps während der Aufstände in Oberschlesien. Am Abstimmungstag, dem 20. März 1921, stimmten – bei einer Wahlbeteiligung von 97,5 Prozent, die das Ausmaß der Polarisierung in der Bevölkerung widerspiegelt – 707.045 Oberschlesier (59,4 Prozent) für Deutschland und 479.232 (40,6 Prozent) für Polen.[8][9] Die Bedeutung dieses trotz widriger Bedingungen und massiver polnischer Propaganda für Deutschland unerwartet positiven Votums wurde durch die Tatsache noch erhöht, dass das Abstimmungsgebiet nur denjenigen Teil Oberschlesiens umfasste, in dem bei Volkszählungen ein hoher Anteil slawischsprachiger Bevölkerung ermittelt worden war. So umfasste das Abstimmungsgebiet zusätzlich einen kleinen Teil des niederschlesischen Landkreises Namslau; dagegen blieben die Landkreise Falkenberg O.S., Grottkau, Neisse und der Westteil des Landkreises Neustadt O.S., die weiterhin dem Deutschen Reich angehörten, sowie der bereits 1920 an die Tschechoslowakei abgetretene Südteil des Kreises Ratibor, das Hultschiner Ländchen, von der Abstimmung ausgeschlossen. Das Ergebnis ließ folglich den Rückschluss zu, dass auch viele, die in Volkszählungen Polnisch als Muttersprache angegeben hatten, für Deutschland gestimmt hatten.


    Aufgrund der angespannten Situation in Oberschlesien sowie zwischen deutschem und polnischem Staat trug das Ergebnis zunächst mehr zur Verschärfung der Fronten als zur Klärung der Lage bei. Auf deutschsprachiger Seite wurde es zumeist propagandistisch als deutscher „Sieg“ und „Rettung Oberschlesiens“ gefeiert; nur wenige Stimmen wiesen schon im Vorhinein darauf hin, dass selbst „wenn die […] Abstimmung eine gewaltige Mehrheit für Deutschland ergeben sollte, noch immer ein Teil Oberschlesiens den Polen zugesprochen werden könnte“.[10] Von polnischer Seite her kam es als Reaktion auf das als ungünstig erachtete Abstimmungsergebnis und auf den englisch-italienischen Teilungsvorschlag hin im Mai zum dritten Aufstand in Oberschlesien und damit zur militärischen Eroberung derjenigen Gebietsteile, die einen hohen Stimmenanteil für Polen aufzuweisen hatten.


    Nach der Volksabstimmung waren von der Interalliierten Kommission verschiedene Teilungspläne erarbeitet worden. Während diejenigen englischer und italienischer Vertreter mit der Percival-de-Marinis-Linie nur verhältnismäßig geringe Gebietsabtretungen, außerhalb des Industriereviers, vorsahen, wollten französische Pläne mit der Korfanty-Linie durch die Zuteilung der wirtschaftlich bedeutenden Gebiete an Polen die deutsche Volkswirtschaft schwächen. Auf französische Initiative wurde die Angelegenheit schließlich an eine Kommission des Völkerbundes übertragen.[11] Die Botschafterkonferenz in Paris beschloss am 20. Oktober 1921 mit der Sforza-Linie[12][13] eine inneroberschlesische Grenzlinie die zwar entfernt von den ursprünglichen Vorstellungen Korfantys und Frankreichs blieb, jedoch einen Erfolg der französischen Teilungspolitik darstellte.


    Mit der Sforza-Linie wurde versucht, den Stimmenmehrheiten in den Gemeinden Rechnung zu tragen, was vor allem im Industrierevier angesichts der stark differierenden Ergebnisse in ländlichen und städtischen Gebieten nahezu unmöglich war – so wurden einzelne Landkreise, sowie mehrere Städte und Gemeinden mit teilweise eindeutigen Abstimmungsergebnissen dem jeweils nicht gewählten Staat zugeteilt. Mit Wirkung zum 20. Juli 1922 kam der kleinere (29 Prozent), aber dichter besiedelte Teil Oberschlesiens, „Ostoberschlesien“ genannt und mit ihm der Großteil des oberschlesischen Industriegebiets mit der Hälfte aller Hüttenwerke, einem Großteil der Kohle- und Eisenerzvorkommen und den wirtschaftlich bedeutenden Bergbauregionen, an Polen. In diesem Teil bestand insgesamt eine 60-Prozent-Mehrheit für Polen. Die Städte und Industrieorte Königshütte (Królewska Huta), Kattowitz (Katowice), Myslowitz (Mysłowice), Schwientochlowitz (Świętochłowice), Laurahütte (Huta Laura), Siemianowitz (Siemianowice Śląskie), Bismarckhütte (Hajduki Wielkie), Lipine (Lipiny), Friedenshütte (Nowy Bytom) und Ruda wurden damit polnisch. Bilder der Grenzziehungen unter Tage und durch Industriekomplexe oder Siedlungen wurden zum Symbol der von deutscher Seite zumeist als ungerecht betrachteten Teilung, die von der deutschen Regierung nie anerkannt wurde.


    Das am 15. Mai 1922 in Genf unterzeichnete Deutsch-polnische Abkommen über Oberschlesien (Genfer Abkommen)[14] regelte sodann die administrativen Bedingungen des Gebietsabtritts und versuchte einen Minderheitenschutz herzustellen.



    Das geteilte Oberschlesien |




    Die Landkreise der Provinz Oberschlesien zwischen 1922 und 1939




    Oberschlesisches Industriegebiet 1930




    Deutscher Grenzposten bei Beuthen


    Der größere Westteil Oberschlesiens verblieb bei Deutschland („Westoberschlesien“). Am 3. September 1922 wurde in diesem Teil Oberschlesiens eine Volksabstimmung durchgeführt, bei der über die Bildung eines eigenen Landes Oberschlesien im Deutschen Reich, wie es z. B. Preußen war, entschieden werden sollte. Jedoch sprachen sich über 90 Prozent für den bisherigen Status quo aus, also den Verbleib Oberschlesiens im Freistaat Preußen der Weimarer Republik.[15]


    Am 20. Juni 1922 übernahm die Zweite Polnische Republik das abgetretene „Ostoberschlesien“, dem in der neugegründeten Autonomen Woiwodschaft Schlesien weitreichende Selbstständigkeit zugestanden wurde. Die Autonome Woiwodschaft Schlesien bestand damit aus Ostoberschlesien und dem 1920 polnisch gewordenen Teil des Teschener Schlesien.


    Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde das Deutsch-Polnische Abkommen über Oberschlesien (Genfer Abkommen)[14] noch zum Segen vieler Oberschlesier. In dem vom Völkerbund garantierten Abkommen gewährleistete jede Vertragspartei für ihren Teil Oberschlesiens für alle Einwohner gleiche Rechte. Nach dem Beginn der antisemitischen Diskriminierungen gegen jüdische Deutsche wandte sich der Oberschlesier Franz Bernheim im Mai 1933 mit einer Petition (Bernheim-Petition) an den Völkerbund mit der Bitte, das Abkommen über Ostschlesien wirksam durchzusetzen. Der Völkerbund kam der Bitte nach und forderte Deutschland auf, das Abkommen einzuhalten. Im September 1933 nahm daraufhin die NS-Regierung die antisemitischen Gesetze in Oberschlesien zurück und nahm es von neuen Diskriminierungen aus. Auch nach Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund hielt es das Abkommen ein, um dem Vertragspartner Polen keinen Vorwand zu liefern, seinerseits das Abkommen als hinfällig zu betrachten. Dadurch wurde in Oberschlesien – im Gegensatz zum restlichen Deutschland – für die verbliebene Restlaufzeit bis Mai 1937 die sonst gültigen antisemitischen Diskriminierungen, wie der Arierparagraph, die Nürnberger Gesetze etc., nicht wirksam.[16]



    Zweiter Weltkrieg |




    Regierungsbezirke und Kreise im Gau Oberschlesien (1943)


    Im Polenfeldzug eroberte die Wehrmacht im September 1939 Ostoberschlesien, das mit der Provinz Schlesien vereinigt und somit dem „Großdeutschen Reich“ angeschlossen wurde. 1941 wurde Oberschlesien formell als preußische Provinz wiedergegründet. Hauptstadt wurde nicht die historische Hauptstadt Oppeln, sondern das größere Kattowitz, das zu polnischer Zeit mit monumentalen Repräsentationsbauten bereits zur Woiwodschaftshauptstadt ausgebaut worden war. Die neue Provinz nahm nun aber neben Ostoberschlesien und dem übrigen (vormals österreichisch-schlesischen) Gebiet der Autonomen Woiwodschaft Schlesien sowie dem bereits 1939 wiedereingegliederten Hultschiner Ländchen auch historisch kleinpolnische Gebiete mit den Städten Sosnowitz und Jaworzno auf. Dabei wurden jedoch nur das Gebiet der bisherigen Autonomen Woiwodschaft Schlesien sowie der westliche Teil des neuumgrenzten Landkreises Bielitz passrechtlich und hinsichtlich des für Polen geltenden Rechts wie Inland behandelt, während das übrige annektierte Gebiet durch eine Polizeigrenze abgetrennt wurde.[17][18] In diesem Gebiet wurde das Konzentrationslager Auschwitz errichtet. Hier und in anderen KZs wurde die beachtliche jüdische Gemeinde Oberschlesiens – soweit sie nicht bereits geflohen waren oder deportiert wurde – ermordet.
    In den nach dem 1. September 1939 an das Reich angeschlossenen Gebieten wurde eine Politik der Rassentrennung betrieben. Es gab u. a. Gaststätten, Geschäfte, Park- und Sportanlagen, die Polen nicht betreten durften. Die Lebensmittelrationen für Deutsche lagen 30 bis 50 Prozent über denen für Polen.



    Unmittelbare Nachkriegszeit |




    Flüchtlingsfamilie in Oberschlesien, Januar 1945


    Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Oberschlesien 1945 von der Roten Armee erobert. Die Kriegszerstörungen hielten sich in Grenzen. Oberschlesien kam bis auf das Hultschiner Ländchen sowie den 1938 von Polen und 1939 vom Deutschen Reich übernommenen Zaolzie-Streifen, die beide wieder zur Tschechoslowakei kamen, zunächst unter polnische Verwaltung und gehört seit 1990 auch völkerrechtlich zu Polen. Anders als in Niederschlesien gab es im oberschlesischen Industriegebiet aus ethnischen und ökonomischen Gründen keine flächendeckende Vertreibung, da viele Einwohner zweisprachig waren. Darüber hinaus verfügten viele Oberschlesier über berufliche Qualifikationen, die in der Kohle- und Stahlindustrie nicht kurzfristig ersetzt werden konnten. Wer einen mehr oder weniger streng gehandhabten polnischen Sprachtest bestand und als „autochthon“ eingestuft wurde, erhielt ein Bleiberecht. Auch Oberschlesier, die als (allein) deutschsprachig eingestuft wurden, erhielten ein Bleiberecht, wenn sie in wichtigen Industrien arbeiteten. Schließlich wurden von der oberschlesischen Bevölkerung etwa 40 Prozent und nicht, wie in Niederschlesien, mehr als 90 Prozent, vertrieben. Insbesondere um Oppeln und Katowice blieb daher bis heute eine deutsche Minderheit zurück, die weder vertrieben wurde noch aussiedelte.


    2015 wurde das Dokumentationszentrum der Deportation von Oberschlesiern in die UdSSR 1945 eröffnet.



    Kommunistische Zeit |


    Die restliche zurückgebliebene Bevölkerung Oberschlesiens, sowohl die deutsch- wie die polnischsprachige, musste ab 1945 Diskriminierungen von Seiten des polnischen Staates erdulden. Der polnische Staat machte es sich zum Ziel, die Oberschlesier, die er zu „germanisierten Polen“ erklärte, zu „repolonisieren“. So wurde der Gebrauch der deutschen Sprache sowohl im öffentlichen Leben, in Kirchen und Schulen, als auch im Privatleben verboten. Um den Kontakt mit der deutschen Sprache zu vermeiden, wurde in sämtlichen oberschlesisch bewohnten Gegenden Deutsch auch nicht als Fremdsprache unterrichtet. Die Ausübung der deutschen Sprache konnte also nur heimlich, unter der Angst, erwischt zu werden, ausgeübt werden. Durch die lange Zeitspanne hatten eine bis drei Generationen nicht die Möglichkeit, die Muttersprache ihrer Vorfahren zu erlernen. Auch der Gebrauch des polnisch-schlesischen Dialekts, der viele deutschstämmige Wörter enthielt, wurde ungern gesehen. Erst 1988, nach 43 Jahren des Verbots, wurde erstmals wieder eine deutsche Messe in Oberschlesien auf dem Annaberg abgehalten, jedoch noch illegal.



    Sehenswürdigkeiten |




    Kapelle auf dem St.-Anna-Berg



    Wallfahrtsort St. Annaberg |


    Der katholische Wallfahrtsort St. Annaberg befindet sich ca. 40 Kilometer südöstlich von Oppeln in der Gemeinde Leschnitz. Hier befindet sich die Wallfahrtskirche, ein Kloster und die 66 cm große Statue der Anna selbdritt.



    Oppeln |


    Oppeln zählt zu den mittelalterlich geprägten Städten Oberschlesiens. Sehenswert ist vor allem hier die aus dem 13. Jahrhundert stammende Kathedrale zum Heiligen Kreuz. Weitere Hauptsehenswürdigkeiten in Oppeln sind das Rathaus und der dazugehörige Ring (Marktplatz), sowie die Franziskanerkirche und die Bergelkirche. Des Weiteren befinden sich in Oppeln das Museum des Oppelner Dorfes, das Museum des Oppelner Schlesiens, sowie der Zoo Opole.



    Kattowitz |




    Neubau des schlesischen Museums in Katowice


    Die Stadt Kattowitz in der Woiwodschaft Schlesien liegt im Osten von Oberschlesien und ist mit seinen 310.000 Einwohnern die größte Stadt der beiden oberschlesischen Woiwodschaften. Sehenswert sind hier die Marienkirche von 1870, die Schrotholzkirche Erzengel-Michael-Kirche aus dem 16. Jahrhundert, sowie die an den Klassizismus gehaltene Christkönigskathedrale aus den 1930er Jahren. Weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt sind das schlesische Parlamentsgebäude, das schlesische Museum und das schlesische Theater.[19]



    Weitere Sehenswürdigkeiten |


    Eine weitere mittelalterlich geprägte Stadt in Oberschlesien ist Nysa (dt. Neisse). In Nysa befinden sich die Jakobskathedrale und mehrere Denkmäler.


    Aus dem Zeitalter der Industrialisierung gingen mehrere Städte im östlichen Oberschlesien hervor, die heute eine Vielzahl an interessanten Gründerzeithäusern und historistischen Gebäuden und gleichzeitig moderne Architektur vorweisen können.



    Schrotholzkirchen |


    Eine regionale Besonderheit Oberschlesiens sind die weitverbreiteten Schrotholzkirchen. Diese meist sehr dunklen häufig aus Kiefernholz gebauten Holzkirchen findet man beispielsweise im Powiat Oleski und Powiat Gliwicki. Auch in einigen Städten des oberschlesischen Industriegebietes findet man Schrotholzkirchen, die dort im 20. Jahrhundert hinversetzt wurden.



    Burgen und Schlösser |


    • Anlage des ehemaligen Schlosses Neudeck

    • Schloss Moschen


    • Schloss Pleß (pl: Zamek Pszczyna)

    • Schloss in Groß Stein


    • Schloss in Pławniowice (Plawniowitz)


    • Burg Toszek (Tost)

    • Schloss in Koschentin

    • Ruinen des Schlosses Koppitz


    Bevölkerung |


    Der größte Teil der deutschen Minderheit Polens lebt in Oberschlesien, besonders im Oppelner Land. Etwa 350.000 Bewohner Oberschlesiens besitzen neben der polnischen die deutsche Staatsangehörigkeit.


    Durch den Zugang zu deutschen und deutschsprachigen Medien und zum Deutschunterricht in vielen Schulen seit den 1990er Jahren und durch regelmäßiges Pendeln zur Arbeit in die Bundesrepublik Deutschland entwickelt sich Deutsch (in der Hochsprache) seit einiger Zeit zu einer Zweitsprache.


    Alleinige Amtssprache ist die polnische Standardsprache.


    Obwohl in Oberschlesien überwiegend Polen, Deutsche und Tschechen leben, gibt es heute eine Gruppe von Oberschlesiern, die sich ausschließlich als Schlesier bezeichnen. Bei der letzten Volkszählung von 2011 waren das 376.000[20] Personen. Dieses Phänomen hat viele Ursachen, u. a. die historisch stark ausgeprägte eigene Identität der Oberschlesier, die autochthonen Schlesier, die Schlesisch (polnischer Dialekt) als ihre Muttersprache bezeichnen, und auch die Sanktionen durch den polnischen Staat von 1945 bis 1989 gegenüber der Bevölkerung Oberschlesiens.


    Die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung blieb im Wesentlichen über die Jahre erhalten. Traditionell ist der überwiegende Teil der Oberschlesier römisch-katholischen Glaubens (etwa 95 Prozent), was eine Besonderheit darstellte, da die Mehrheit im östlichen Deutschland (einschließlich Niederschlesiens) protestantisch war. Die evangelische Kirche hat infolge der Vertreibung vieler Gemeindemitglieder noch mehr an Bedeutung verloren – 1933 hatte ihr Anteil noch bei rund zehn Prozent gelegen.[21]


    Seit den 1990er Jahren ist Oberschlesien sowohl in den Städten als auch auf dem Land von fallenden Einwohnerzahlen geprägt. Besonders stark fielen in vielen Orten die Einwohnerzahlen in der ersten Hälfte der 2000er Jahre.



    Autonomiebewegung |


    Die Autonomiebewegung ist relativ jung und wurde erst 1990 durch den Vorsitzenden Rudolf Kolodziejczyk in Rybnik ins Leben gerufen. Sie soll an die reichen Traditionen anknüpfen, an die deutsche Zeit, aber auch an Schlesien unter der Zweiten Polnischen Republik. Der derzeitige Vorsitzende ist Jerzy Gorzelik. Das Hauptbestreben ist eine bessere Selbstverwaltung der oberschlesischen Provinzen Opolskie und Slaskie.


    2010 hatte RAS (Ruch Autonomii Śląska) im Woiwodschaftssejm Schlesiens 8,49 Prozent der Stimmen, also 122.781 Stimmen und drei Mandate.



    Kultur |



    Architektur |



    • Familok (Familien-Block)


    Feiertage |


    • 4. Dezember: Barbaratag (Feiertag der Bergleute)

    • 6. Dezember: Nikolaustag


    Traditionen, Bräuche, Feste |




    Osterreiten in Ostropa (Gleiwitz)


    Ein ländlicher oberschlesischer Faschingsbrauch ist das Winteraustreiben bzw. Bärenführen. Symbolisiert wird der Winter durch eine als Bär verkleidete Person. Dieser wird durch eine als Polizist verkleidete Person festgenommen. Gefolgt von weiteren verkleideten Leuten wird der Bär aus dem Ort verwiesen, wobei vorher von Haus zu Haus gezogen wird. Der Bär soll auch für das Böse stehen, das aus dem Ort herausgebracht wird. In manchen Orten besteht das Bärenkostüm traditionell aus Stroh. In der Fastnachtszeit wird auch der „Babski Comber“ bzw. „Comber“ (aus dem Deutschen: Zampern) gefeiert. Ein Faschingsfest das den Frauen vorbehalten ist, jedoch gewährt man auch den als Frauen verkleideten Männern den Eintritt.


    Zu Ostern gibt es verschiedene Bräuche. Ein in ganz Schlesien verbreiteter Brauch am Ostermontag war das Schmackostern. Während man in Niederschlesien die Mädchen mit einer mit Bändern geschmückten Rute schlug, begießt man sie in Oberschlesien meistens mit Wasser, vergleichbar mit dem polnischen Śmigus-dyngus, wodurch auch vom Ostergießen gesprochen wird. Teilweise wurde früher auch das Begießen mit dem Rutenschlagen kombiniert oder es war mancherorts nur die Variante mit der Rute verbreitet. Mit der Polonisierung Oberschlesiens sind die Ruten eher unüblich geworden. Daraufhin erwarten die Jungen (und Männer) ein Geschenk. Meistens sind das bemalte Ostereier oder in heutiger Zeit auch Süßigkeiten, früher hingegen zusätzlich Kuchen, Kaffee und Gelbbrot. Am Osterdienstag können die Mädchen (und Frauen) schmackostern.[22] Ein weiterer Osterbrauch ist das Osterreiten, das heute noch in einigen Orten stattfindet.


    Am Erntedankfest, dem in Oberschlesien so genannten Erntefest, findet ein Umzug statt, vorangetragen wird die „Erntekrone“ oder der „Erntekranz“. Zu diesem Anlass werden mehrere Wagen geschmückt und meist lustige Motive gestaltet. Die Leute, die mit diesen Wagen fahren, sind verkleidet. Zusätzlich werden Transparente mit Sprüchen angebracht. Zum Abschluss findet ein Fest mit gemeinsamen Essen, Musik und Tanz statt.


    Seit der Wende werden in immer mehr Orten bzw. Gemeinden nach bayerischem Vorbild Oktoberfeste gefeiert.


    Bei den Oberschlesiern ist zu Weihnachten die Symbolfigur das Christkind sehr verbreitet. In anderen Regionen in Polen, wie z. B. das angrenzende Kleinpolen, ist dieses Brauchtum unbekannt.


    Zu den wichtigsten Familienfesten der Oberschlesier zählen u. a. die Taufe, die erste Kommunion und der Geburtstag, darunter vor allem der erste Geburtstag und der fünfzigste Geburtstag (Abrahamstag), der in Polen wichtige Namenstag hingegen hat keine Bedeutung und wird nicht gefeiert.


    Zu einer schlesischen Hochzeit gehören vor der Hochzeitsfeier der Polterabend und am Tag nach dem Hochzeitstag das Nachfeiern.



    Küche |




    Tracht |


    Trachten wurden in Schlesien bis Mitte des 19. Jahrhunderts getragen. In einigen Regionen und Orten (z. B. in Schönwald) überdauerte die Tradition teilweise bis ins 20. Jahrhundert, doch Trachten galten seitdem im Allgemeinen als altmodisch.


    Man unterschied zwischen Alltags-, Sonntags- und Festtagstrachten.


    Heute sind Trachten kaum mehr verbreitet und werden ausschließlich von Trachtengruppen getragen oder sind in Museen oder Heimatstuben ausgestellt. Trachten werden bei einigen Volksfesten getragen, haben im Alltag aber keine Bedeutung mehr.



    Medien |


    Auf dem Gebiet Oberschlesiens sind über TVP Info die Regionalfenster TVP Opole und TVP Katowice des staatlichen polnischen Fernsehens TVP zu empfangen. Darüber hinaus richtet sich der private Fernsehsender TVS an die Zuschauer in der Woiwodschaft Schlesien. Ein weiterer Sender ist TVT.


    Regional ausgerichtete Radiosender sind die Sender Polskie Radio Opole und Polskie Radio Katowice des staatlichen Hörfunks Polskie Radio. Ein privater oberschlesischer Sender ist Radio Piekary.


    Radio Mittendrin ein deutsch-polnischer Internet Radiosender der deutschen Minderheit.



    Persönlichkeiten |




    Janosch


    Aus Oberschlesien stammen fünf Nobelpreisträger. Otto Stern aus Sohrau wurde 1933 als Jude aus Deutschland vertrieben. Er nahm die US-Staatsbürgerschaft an und war als Wissenschaftler sehr erfolgreich. Er erhielt 1943 als Professor in Pittsburgh den Nobelpreis für Physik. 1963 erhielt die in Katowice geborene Maria Goeppert-Mayer den gleichen Preis. Den Nobelpreis für Chemie erhielt 1950 der in Königshütte geborene Kurt Alder. 1964 erhielt der in Neisse geborene, als junger Wissenschaftler wegen seiner jüdischen Abstammung aus Deutschland vertriebene, später an der Universität Harvard lehrende Professor für Biochemie Konrad Bloch den Nobelpreis für Medizin.


    Der in Jakobswalde, Landkreis Cosel, Provinz Schlesien geborene Ernst Friedrich Zwirner war deutscher Architekt und Dombaumeister von Köln.


    Oscar Troplowitz, ein deutscher Apotheker, Unternehmer und Kunstmäzen, der in Gleiwitz, Regierungsbezirk Oppeln, Provinz Schlesien geboren wurde und wenige Jahre nach Gründung das Unternehmen Beiersdorf übernahm (1890) und u. a. das weltweit bekannte Markenprodukt „Nivea Creme“ (1911) entwickelte.


    Zu den bekanntesten Schriftstellern Oberschlesiens zählen Joseph von Eichendorff, Horst Bienek und der als Janosch bekannte Horst Eckert. Joseph von Eichendorff schuf u. a. die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“. Janosch erlangte u. a. Bekanntheit durch seine Erzählung „Oh, wie schön ist Panama“. Horst Bienek schuf mehrere Werke über seine Heimat Gleiwitz und Oberschlesien. Auch im Werk des Schriftstellers Wolfgang Bittner finden sich Bezüge zu seiner Geburtsstadt Gleiwitz und zu Oberschlesien.
    Aus Neisse stammt der 1909 geborene Zoologe und Publizist Bernhard Grzimek. Er produzierte von 1956 bis 1980 für die ARD die Fernsehreihe „Ein Platz für Tiere“. Eine weitere berühmte schlesische Persönlichkeit, die ihr Schicksal mit Afrika verband, war Eduard Schnitzer. In die Geschichte ging der Oberschlesier (geboren 1840 in Oppeln) als Emin Pascha ein. Der Afrikaforscher und Gouverneur der sudanesischen Provinz Äquatoria diente unter anderem den Figuren Karl Mays als Vorbild.


    In der mehrheitlich römisch-katholischen Region wurden u. a. die Theologen und Bischöfe Walter Mixa aus Königshütte und Alfons Nossol aus Broschütz bei Walzen geboren.


    Aus Rybnik stammt der 1978 geborene deutsche Pop/Rock-Sänger und Songwriter Thomas Godoj (eigentlich Tomasz Jacek Godoj), der die vom Fernsehsender RTL ausgestrahlte Castingshow Deutschland sucht den Superstar (DSDS) 2008 gewann.


    Neben anderen Fußballspielern stammen Miroslav Klose, in Oppeln geboren, und der in Gleiwitz geborene Lukas Podolski aus Oberschlesien. Beide spielten bzw. spielen für die deutsche Nationalmannschaft und wurden 2014 Weltmeister.



    Siehe auch |


    • Landsmannschaft der Oberschlesier

    • Oberschlesisches Landesmuseum

    • Bund der Oberschlesier

    • Oberschlesien (Zeitung)

    • Kirchlicher Suchdienst

    • Niederschlesien


    Literatur |



    • Walter Geisler: Oberschlesien-Atlas. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen, Volk und Reich Verlag, Berlin 1938.

    • Felix Triest (Hrsg.): Topographisches Handbuch von Oberschlesien. Breslau 1865, 1292 Seiten

    • Erle Bach: Oberschlesien. Vom Sudetenland zur Oberschlesischen Platte. Flechsig 1998, ISBN 3-88189-218-4.

    • Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien/Stiftung Haus Oberschlesien <Ratingen>, Berlin 1990.


    • Wolfgang Bittner: Gleiwitz heißt heute Gliwice/Gliwice zwano kiedys Gleiwitz. Oberhausen/Wroclaw 2003, ISBN 3-89896-161-3/ 83-88726-11-0.

    • Daniela Pelka: Der deutsch-polnische Sprachkontakt in Oberschlesien am Beispiel der Gegend von Oberglogau. trafo, Berlin 2006, ISBN 3-89626-524-5.

    • Bernhard Sauer: „Auf nach Oberschlesien“ – Die Kämpfe der deutschen Freikorps 1921 in Oberschlesien und den anderen ehemaligen deutschen Ostprovinzen. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 58. Jahrgang 2010, Heft 4, S. 297–320. (PDF, 7,6 MB)

    • Silke Findeisen (Hrsg.): Reise in die alte Heimat – Schlesien in 1000 Bildern. Königswinter 2010, ISBN 978-3-941557-20-8.

    • Herbert Gross: Bedeutende Oberschlesier. Kurzbiographien. Laumann, Dülmen 1995, ISBN 3-87466-192-X.


    • Joseph Partsch. 1896. Schlesien: eine Landeskunde für das deutsche Volk. T. 1., Das ganze Land. Breslau: Verlag Ferdinand Hirt.


    • Joseph Partsch. 1911. Schlesien: eine Landeskunde für das deutsche Volk. T. 2., Landschaften und Siedelungen. Breslau: Verlag Ferdinand Hirt.

    • Lucyna Harc et al. 2013. Cuius Regio? Ideological and Territorial Cohesion of the Historical Region of Silesia (c. 1000–2000) vol. 1., The Long Formation of the Region Silesia (c. 1000–1526). Wrocław: eBooki.com.pl ISBN 978-83-927132-1-0

    • Lucyna Harc et al. 2014. Cuius regio? Ideological and Territorial Cohesion of the Historical Region of Silesia (c. 1000–2000) vol. 2., The Strengthening of Silesian Regionalism (1526–1740). Wrocław: eBooki.com.pl ISBN 978-83-927132-6-5

    • Lucyna Harc et al. 2014. Cuius regio? Ideological and Territorial Cohesion of the Historical Region of Silesia (c. 1000–2000) vol. 4., Region Divided: Times of Nation-States (1918–1945). Wrocław: eBooki.com.pl ISBN 978-83-927132-8-9

    • Paul Weber. 1913. Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung. Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Berlin


    • Norbert Morciniec: Zum Wortgut deutscher Herkunft in den polnischen Dialekten Schlesiens. Zeitschrift für Ostforschung, Bd. 83, Heft 3, 1989.

    • Robert Semple. London 1814. Observations made on a tour from Hamburg through Berlin, Gorlitz, and Breslau, to Silberberg; and thence to Gottenburg


    Weblinks |



     Commons: Oberschlesien – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien


     Commons: Oberschlesien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    • Oberschlesisches Kulturerbe

    • Jörg Lüer: Die Oberschlesier im preussisch-deutschen Denken

    • Oberschlesisches Landesmuseum

    • Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel von Waclaw Długonorski


    Einzelnachweise |



    1. Reinhold Vetter: Schlesien – Deutsche und polnische Kulturtraditionen in einer europäischen Grenzregion. DuMont Verlag, Köln 1999, ISBN 3-7701-4418-X, S. 34.


    2. Reichstags-Wahlkarte des Deutschen Reichs: nach dem Ergebnis der Wahlen vom 25. Jänner 1907, mit Berücksichtigung der Stich- und Nachwahlen, Verlag G. Freytag & Berndt, Leipzig, Wien, 1907


    3. Vgl. wahlen-in-deutschland.de. abgerufen am 8. September 2008.


    4. Georg Hassel: Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt. Verlag des Geographischen Instituts Weimar (1823), S. 34; Gesamtbevölkerung 1819 – 561,203; Nationalverschiedenheit 1819: Polen – 377,100; Deutsche – 162,600; Mährer – 12,000; Juden – 8,000 und Tschechen – 1,600 (books.google.pl).


    5. abcdefghij Paul Weber, Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung; Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Berlin (1913), S. 8–9


    6. abcd Paul Weber: Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung; Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Berlin (1913), S. 27 (archive.org).


    7. Anlage VIII zum Versailler Vertrag, § 88 betreffend


    8. Vgl. dieser Internetseite von Falter u. a. 1986, S. 118.


    9. Die Volksabstimmung in Oberschlesien 1921 (home.arcor.de)


    10. Neue Freie Presse, Ausgabe vom 20. März 1921, S. 5.


    11. Andreas Kieswetter: Italien und Oberschlesien 1919–1922, Dokumente zur italienischen Politik, Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2001, S. 41–90.


    12. Dieter Lamping: Über Grenzen, 2001, S. 58.


    13. Zielscheibe im Palazzo Chigi. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1948 (online). 


    14. ab „Deutsch-polnisches Abkommen über Oberschlesien“ (Oberschlesien-Abkommen, OSA) vom 15. Mai 1922, in: Reichsgesetzblatt, 1922, Teil II, S. 238 ff.


    15. gonschior.de


    16. Philipp Graf: Die Bernheim-Petition 1933: Jüdische Politik in der Zwischenkriegszeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008, (Schriften des Simon-Dubnow-Instituts; 10), 342 S., ISBN 978-3-525-36988-3.


    17. „Verordnung über die Beschränkung des Reiseverkehrs mit Gebietsteilen des Großdeutschen Reichs und mit dem Generalgouvernement“ vom 20. Juli 1940, Paragraf 1, Abs. 1 Nummer b)., sie nennt eine Einbeziehung lediglich der mit Bielitz verflochtenen Stadt Biala


    18. "Erste Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Erhebung einer Sozialausgleichsabgabe " vom 10. August 1940, Paragraf 7; sie nennt einen Grenzverlauf entlang der Soła.


    19. Tourismus Polen


    20. Nationale und ethnische Zugehörigkeit, Haupt-Statistikamt, Volkszählung von 2011 (polnisch)


    21. Vgl. Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. p_schlesien.html#rboppeln. Abgerufen im September 2018 (Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006). 


    22. Franz Schroller: Schlesien – Eine Schilderung des Schlesierlandes. Dritter Band, S. 249.


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