Wechselstrom
Wechselstrom bezeichnet elektrischen Strom, der seine Richtung (Polung) in regelmäßiger Wiederholung ändert und bei dem sich positive und negative Augenblickswerte so ergänzen, dass der Strom im zeitlichen Mittel null ist. Abzugrenzen ist der Wechselstrom von Gleichstrom, der sich (abgesehen von Schaltvorgängen oder Einflusseffekten) zeitlich nicht ändert, und von Mischstrom als einer Überlagerung von beiden.
Weltweit wird die elektrische Energieversorgung am häufigsten mit sinusförmigem Wechselstrom vorgenommen. Die Gründe für diese Bevorzugung sind die einfache Erzeugung und einfache Transformation der Wechselspannung. Im Haushaltsbereich ist der Einphasenwechselstrom üblich. Daneben gibt es eine vorteilhafte Verkettung als Dreiphasenwechselstrom-System. Für die Energieübertragung sind am Wechselstrom dessen Wirkstrom- und Blindstromanteile zu beachten.
Hochfrequente Wechselströme werden in der Nachrichtentechnik und in der Elektromedizin verwendet.
International wird Wechselstrom häufig auf Englisch mit alternating current oder mit dem Kürzel AC bezeichnet (auch für Wechselspannung verwendet). Im Gegensatz dazu steht DC, direct current, womit Gleichstrom (auch Gleichspannung) gekennzeichnet wird.
Inhaltsverzeichnis
1 Erzeugung
1.1 Zeitlicher Verlauf
1.2 Mehrphasiger Wechselstrom
2 Rechengrößen
2.1 Frequenz und Periode
2.2 Charakterisierende Werte der Stromstärke
2.3 Wechselstromwiderstände
2.4 Kenngrößen der Leistung
3 Geschichte
4 Betrachtung in der Hochfrequenztechnik
5 Biologische Wirkung auf den Menschen
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Erzeugung |
Zeitlicher Verlauf |
Die einfachste denkbare Form von Wechselstrom entsteht durch ständig wechselnde Umpolung einer Gleichstromquelle. Obwohl dieser Wechselstrom technisch sinnvoll nutzbar ist, wird er nicht zur großräumigen Energieversorgung verwendet. Der Grund ist das ausgedehnte Frequenzspektrum, das wesentlich höhere Frequenzen als nur die Grundfrequenz umfasst. Dieser sehr hohe Oberschwingungsanteil würde starke Energieverluste bei der Transformation und Fernübertragung der elektrischen Energie verursachen. Aus dem gleichen Grund darf auch in der Funktechnik nicht mit Rechteckspannung gesendet werden, weil die sehr intensiven Harmonischen andere Funkdienste stören würden. In kleinen Geräten wie Schaltnetzteilen in Computern oder Zerhackern zur Erzeugung von Hochspannung aus Batterien wird die Rechteckform verwendet, weil sie technisch sehr einfach mit schaltenden Bauelementen der Leistungselektronik hergestellt werden kann. Kleine Geräte lassen sich so abschirmen, dass die Oberschwingungen keine Störungen anderer Geräte verursachen.
In der Energieversorgung wird fast nur „sinusförmiger Wechselstrom“ eingesetzt, weil er keine unerwünschte harmonische Schwingungen besitzt. Er hat seinen Namen daher, dass die Momentanwerte über eine vollständige Periode mit einer positiven und einer negativen Halbschwingung exakt den Werten der Sinus-Winkelfunktion über einen Vollkreis (0–360°) entsprechen, die grafische Darstellung auf einer Zeitachse ergibt dabei die typische Sinuskurve.
Andere Graphformen, wie beispielsweise Dreieckform, kommen nur mit sehr geringen Leistungen in der Messtechnik, der Impulstechnik, der elektronischen Klangerzeugung oder der analogen Nachrichtentechnik vor.
Mehrphasiger Wechselstrom |
Neben Wechselstrom als Einphasen-Leiterstrom werden zur Energieversorgung in den rotierenden elektrischen Maschinen verkettete, in ihren Phasen versetzte Wechselströme eingesetzt. Die dazu notwendigen Spulen der Generatoren sind gleichmäßig um den Kreisumfang verteilt. Diese spezielle Form von Wechselstrom wird bei drei Phasenwinkeln von je 120° als Dreiphasenwechselstrom und umgangssprachlich als „Drehstrom“ bezeichnet.
Die einzelnen Wechselströme des Dreiphasensystems lassen sich unabhängig voneinander als Einzelsystem bei Kleinverbrauchern nutzen. Die drei zeitlich gegeneinander verschobenen Außenleiterströme haben unter anderem den Vorteil, dass sich damit bei gleicher übertragener Leistung die Leiterquerschnitte in Summe verringern lassen und die Fernübertragung mit hochgespanntem Wechselstrom durch die Verkettung verlustärmer wird. Ferner lassen sich kostengünstige und robuste Drehstrom-Asynchronmotoren bauen – allerdings mit dem Nachteil, dass ihre Drehzahl ohne Frequenzumrichter nur in groben Stufen verändert werden kann.
Darüber hinaus existieren noch andere mehrphasige Wechselstromsysteme, wie der Zweiphasenwechselstrom oder allgemein Mehrphasenwechselstromsysteme, welche allerdings in der öffentlichen elektrischen Energieversorgung keine wesentliche Bedeutung haben. Wechselstromsysteme mit mehr als drei Phasen werden unter anderem bei speziellen elektrischen Antriebssystemen basierend auf Synchronmotoren eingesetzt. Der Mehrphasenwechselstrom wird dabei mittels Wechselrichter und einem Zwischenkreis aus dem Dreiphasensystem gewonnen.
Rechengrößen |
Frequenz und Periode |
Die Frequenz bezeichnet die Anzahl der Schwingungen eines periodischen Vorgangs bezogen auf das Zeitintervall, für das diese Anzahl gilt. Sie wird angegeben in der Einheit Hertz mit dem Einheitenzeichen Hz.
Eine Periode ist das kleinste örtliche oder zeitliche Intervall, nach dem sich der Vorgang wiederholt. Dieser Zeitabstand heißt Periodendauer. Bei einem Wechselstrom ist eine Periode z. B. eine aufeinanderfolgende positive und negative Halbschwingung. Die Periodendauer Tdisplaystyle T ist gleich dem Kehrwert der Frequenz fdisplaystyle f
T=1fdisplaystyle T=frac 1f .
Die bekannteste Wechselstrom-Frequenz ist 50 Hz, die Netzfrequenz der öffentlichen elektrischen Energieversorgung in der Europäischen Union. Dieser Wechselstrom hat eine Periodendauer von
T50=150Hz=150s=20msdisplaystyle T_50=frac 150;mathrm Hz =frac 150mathrm s =20;mathrm ms .
Eine Übersicht zur Energieversorgung in anderen Ländern siehe unter Länderübersicht Steckertypen, Netzspannungen und -frequenzen.
Vorzugsweise für theoretische Berechnungen, wie etwa bei der komplexen Wechselstromrechnung, wird die Kreisfrequenz ωdisplaystyle omega verwendet:
ω=2π⋅fdisplaystyle omega =2pi cdot f .
Bei einem Wechselstrom mit einer Frequenz von 50 Hz ist
ω50=2π⋅50Hz≈314s−1displaystyle omega _50=2pi cdot 50;mathrm Hz approx 314;mathrm s ^-1 .
Die niedrigste Wechselstrom-Frequenz, die mit einer gewissen Verbreitung in Deutschland, Österreich, Schweiz, Schweden und Norwegen eingesetzt wird, ist beim Bahnstrom mit 16,7 Hz zu finden.
Die höchste Frequenz für Wechselstrom ist durch die Möglichkeiten und Erfordernisse in der Funktechnik gegeben und liegt in der Größenordnung von 300 GHz.
Charakterisierende Werte der Stromstärke |
Der zeitabhängige Verlauf des Wechselstromes bringt bei der Angabe über die Stromstärke Probleme mit sich.
Augenblickswerte oder Momentanwerte idisplaystyle i sind zur Charakterisierung ungeeignet.- Der Scheitelwert ist die höchste (unabhängig von der Polarität) erreichbare Stromstärke, er ist als besonderer Augenblickswert nur bei Sinusform repräsentativ und wird dann als Amplitude bezeichnet; allzu oft ist der Strom nicht sinusförmig. Seine Messung mittels Oszilloskop ist häufig schwierig (allein schon aus Erdungsgründen).
- Der Mittelwert ist definitionsgemäß gleich null.[1]
- Der Gleichrichtwert ist die am leichtesten messbare Größe, hat aber außerhalb der Messtechnik nur wenig Bedeutung.
- Der Effektivwert ist die bevorzugte Angabe, wenn Energieumsetzung von Bedeutung ist.
Der Effektivwert eines Wechselstroms entspricht dem Wert eines Gleichstroms, der in einem ohmschen Widerstand dieselbe Wärme erzeugt. Er kann mit einem effektivwertbildenden Strommessgerät gemessen werden.
Aus dem Effektivwert und dem Scheitelfaktor √2 eines sinusförmigen Wechselstroms kann dessen Amplitude ı^displaystyle hat imath berechnet werden
ı^=2⋅Ieffdisplaystyle hat imath =sqrt 2cdot I_mathrm eff .
Bei nicht sinusförmigem Wechselstrom ergibt sich in Abhängigkeit von der Kurvenform ein anderer Zusammenhang zwischen Scheitelwert und Effektivwert. Bei nach jeweils gleichen Zeiten zwischen +ı^displaystyle +hat imath und −ı^displaystyle -hat imath umspringendem Rechteckwechselstrom gilt beispielsweise:
ı^=Ieffdisplaystyle hat imath =I_mathrm eff .
Falls nichts anderes angegeben wird, sind bei Wechselströmen und Wechselspannungen immer die Effektivwerte gemeint. So darf ein aus dem Stromnetz bezogener Strom mit der Angabe „maximal 2,0 A“ dennoch steigen auf
ı^=Ieff⋅2≈2,0 A⋅1,414≈2,8 Adisplaystyle hat imath =I_mathrm eff cdot sqrt 2approx 2,0 mathrm A cdot 1,414approx 2,8 mathrm A .
Wechselstromwiderstände |
Die linearen Widerstände für Wechselstrom sind ohmscher Widerstand, Kondensator und Spule. Kondensatoren und Spulen verhalten sich bei Wechselstrom anders als bei Gleichstrom. Sie können bei sinusförmigem Wechselstrom wie Widerstände behandelt werden, verschieben aber zusätzlich den Phasenwinkel zwischen dem Strom- und Spannungsverlauf. Zur Abgrenzung zum ohmschen Widerstand wird hierbei von der Impedanz Z_displaystyle underline Z gesprochen. – Nahezu alle Halbleiter verhalten sich als nichtlineare Widerstände.
Ohmscher Widerstand bei Wechselstrom: Ein ohmscher Widerstand bewirkt keine Phasenverschiebung. In einem Wechselstromkreis mit rein ohmschen Widerständen sind Strom und Spannung in Phase. Die Impedanz Z_Rdisplaystyle underline Z_R ist gleich dem Gleichstromwiderstand Rdisplaystyle R.
Kondensator bei Wechselstrom: Bei Gleichstrom lässt ein Kondensator während des Aufladens einen Strom fließen; dabei baut er zunehmend eine Gegenspannung auf, bis er den Stromfluss unterbricht. Bei Wechselstrom fließt infolge des ständigen Umladens der metallischen Platten ständig Strom, welcher eine phasenverschobene Spannung bewirkt. Ein sinusförmiger Lade-Strom baut am Kondensator eine ebenfalls sinusförmige Spannung auf und zwar verzögert um 90°. Die Impedanz einer „kapazitiven“ Last beträgt Z_C=(jωC)−1displaystyle underline Z_C=(mathrm j omega C)^-1. Dabei ist Cdisplaystyle C die Kapazität des Kondensators, ωdisplaystyle omega die Kreisfrequenz und jdisplaystyle mathrm j die imaginäre Einheit.
Spule bei Wechselstrom: Bei einer verlustlosen Spule eilt die Spannung dem Strom um 90° voraus, weil durch Selbstinduktion (siehe Lenzsche Regel) in der Spule eine Gegenspannung erzeugt wird, die den Strom erst allmählich ansteigen lässt. Die Impedanz einer „induktiven“ Last ist durch Z_L=jωLdisplaystyle underline Z_L=mathrm j omega L. Dabei ist Ldisplaystyle L die Induktivität der Spule.
Zur Berechnung wird auf die komplexe Wechselstromrechnung verwiesen. Alle messbaren physikalischen Größen wie Strom und Spannung sind reell; die Verwendung von komplexen Größen ist rein eine mathematische Methode, die die Rechnungen vereinfacht.
Kenngrößen der Leistung |
Mit der Spannung udisplaystyle u und der Stromstärke idisplaystyle i, die sich mit der Zeit tdisplaystyle t ändern, gilt für den Augenblickswert der Leistung pdisplaystyle p
- p=u⋅idisplaystyle p=ucdot i
Als zeitunabhängige Größen werden die Wirkleistung Pdisplaystyle P, die Blindleistung Qdisplaystyle Q oder die Scheinleistung Sdisplaystyle S angegeben.
An einem ohmschen Widerstand haben udisplaystyle u und idisplaystyle i immer dasselbe Vorzeichen, daher ist die augenblickliche Leistung pdisplaystyle p immer positiv, wie das nebenstehende Bild zeigt. Der Strom durch einen ohmschen Widerstand erzeugt stets „wirksam“ Energie, die als joulesche Wärme nach außen abgegeben wird; diese Energie pro Zeit wird als Wirkleistung bezeichnet. Sie steht für die im zeitlichen Mittel bezogene Leistung.
Wenn Spulen (Induktivitäten) oder Kondensatoren (Kapazitäten) in einer Schaltung enthalten sind, entstehen bei sinusförmigen Größen Phasenverschiebungen. Bei einem ideal induktiven Verbraucher wird von der Spannungsquelle gelieferte Energie verwendet, um das magnetische Feld aufzubauen. Die Energie wird zunächst im Magnetfeld gespeichert, jedoch mit dem periodischen Wechsel im Vorzeichen der Spannung wird das Feld wieder abgebaut und die Energie ins Netz zurückgespeist, wie das Bild an negativen Werten von pdisplaystyle p zeigt. Entsprechendes gilt für kapazitive Verbraucher. Der zeitliche Mittelwert über pdisplaystyle p zeigt, dass ein idealer Blindwiderstand keine Wirkleistung bezieht. Die Energie pro Zeit, die im Netz pendelt, wird als Verschiebungsblindleistung bezeichnet.
Die Scheinleistung ist eine aus den Effektivwerten von Spannung und Strom gebildete Größe, bei der die zeitlichen Zusammenhänge zwischen udisplaystyle u und idisplaystyle i unbeachtet bleiben.
Zu den exakten Definitionen und weiteren Einzelheiten wird auf die drei Artikel der genannten Leistungsgrößen verwiesen.
Geschichte |
Die grundlegenden Voraussetzungen des heutigen „Stromes aus der Steckdose“ schuf Michael Faraday im Jahre 1831 mit seinen Untersuchungen zur elektromagnetischen Induktion. Durch seine Grundlagenforschung war es möglich, mechanische Leistung in elektrische Leistung umzusetzen.[2]
Die magnetoelektrischen Maschinen der ersten Epoche, etwa die der in Belgien operierenden englisch-französischen Societé anonyme de l’Alliance nach Floris Nollet, waren mit ihren Permanentmagneten sperrig und unwirtschaftlich. Um die Jahrhundertmitte wurde jedoch das dynamoelektrische Prinzip entdeckt, welches die bisher eingesetzten Stahlmagnete durch sich selbst induzierende Elektromagnete ersetzte und daher zu einer größeren Wirtschaftlichkeit führte.[2] Der Erstentdecker, der Däne Søren Hjorth, ließ seinen Generator 1854 in England patentieren. Der nächste Erbauer einer derartigen Maschine, Ányos Jedlik, verstand es noch nicht ganz und hoffte auf eine Weiterentwicklung zum Perpetuum Mobile. Werner Siemens war der dritte und erreichte 1866 mit dem dynamoelektrischen Generator einen wirtschaftlichen Durchbruch.
Die historische Entwicklung verschiedener Systeme ist unter Stromkrieg beschrieben.
Eine wesentliche Komponente für die flächendeckende Verbreitung und Anwendung der Wechselstromtechnik war die Entwicklung des Transformators, an der zwischen 1870 und 1910 mehrere Forscher, Ingenieure und Geschäftsmänner in verschiedenen Ländern, teils unabhängig voneinander, wesentlich beteiligt waren.
Mit den Elektricitäts-Werken Reichenhall errichtete der Holzstoff-Fabrikant Konrad Fischer das erste öffentliche Wechselstromkraftwerk Deutschlands in Bad Reichenhall, welches am 15. Mai 1890 den Betrieb aufnahm. Es war das erste Wasserkraftwerk in Deutschland und das erste öffentliche E-Werk in Bayern. Über ein Vorgelege mit zwei konischen Rädern und einem Riemenantrieb übertrug eine Jonval-Turbine die Wasserkraft mit 600 min−1 auf einen Wechselstromgenerator der Firma Oerlikon in Zürich, der 2000 Volt Spannung und maximal 30 Ampere entwickelte. Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme war das Werk in der Lage, 1200 Glühlampen in Reichenhall, Karlstein und Kirchberg zu versorgen.[3]
Die Betreiber der Niagara-Wasserkraftwerke schrieben einen Preis in Höhe von 100.000 US-Dollar für denjenigen aus, der eine Lösung zur Übertragung elektrischen Stroms über große Entfernungen entwickelt. Die Entscheidung fiel 1893 zugunsten des von Nikola Tesla und George Westinghouse entwickelten Wechselstrom-Systems.[4]
Betrachtung in der Hochfrequenztechnik |
Bei der Netzfrequenz 50 Hz beträgt die Wellenlänge 6000 km, das übersteigt erheblich die Ausdehnung Deutschlands. In den meisten Wechselstrombauteilen kann daher vernachlässigt werden, dass es sich beim Wechselstrom um eine Welle handelt. Bei höheren Frequenzen wie im Bereich der Hochfrequenz tritt der Skin-Effekt (Stromverdrängung) auf, welcher zu einer Einschränkung der tatsächlich leitenden Schicht auf die äußeren Bereiche eines Leiters führt. Bei 50 Hz beträgt diese Eindringtiefe 12 mm für Aluminium und 10 mm für Kupfer. Während dies für Leitungen im Hausgebrauch nicht von Relevanz ist, werden Leitungen für höchste Ströme, z. B. in Generatoren, zuweilen als Hohlleiter ausgeführt (ein solcher Leiter kann dabei zusätzlich zur Führung von Kühlflüssigkeit genutzt werden). Bei der Energieübertragung mittels Freileitungen wird als Leiterseil oftmals eine Kombination aus Stahl und Aluminium verwendet. Stahl als Seele für die Zugfestigkeit umgeben von Aluminium für die elektrische Leitfähigkeit.
Biologische Wirkung auf den Menschen |
Siehe auch: Stromunfall, Elektrischer Strom im Alltag
Die Wirkung und eventuelle Gefährlichkeit von Strom auf den menschlichen Körper ergibt sich unter anderem aus der Beeinflussung auf das Erregungsleitungssystem des Herzens: Dort werden Erregungen als elektrische Impulse weitergeleitet, die zur geordneten Kontraktion des Herzmuskels führen. Von außen zugeführter Strom stört diese Erregungsausbreitung, insbesondere dann, wenn er während der sogenannten vulnerablen Phase Zellen des Herzens erregt. In dieser Phase sind Teile des Herzens noch erregt – also nicht neu erregbar –, während andere Teile schon wieder auf dem Weg zum nicht-erregten Zustand sind, also teilweise schon wieder erregbar. Wird in der vulnerablen Phase eine zusätzliche Erregung ausgelöst, kann es zu ungeordneten Erregungen der Herzmuskelzellen kommen, dem Kammerflimmern.[5] Durch die ungleichmäßigen, schnellen Kontraktionen der Herzmuskelzellen kann kein Blut mehr gepumpt werden.
Die besondere Gefährlichkeit von Wechselstrom gegenüber Gleichstrom[6] ergibt sich daraus, dass Wechselstrom durch die schnellen Wechsel der Polarität mit höherer Wahrscheinlichkeit die vulnerable Phase trifft.
Die Folgen eines Stromunfalls mit Wechselstrom auf den Menschen hängen dabei von verschiedenen Faktoren[7] ab, insbesondere von Stromart und -frequenz (s. o.), sowie der Zeitdauer, die der Strom auf den Körper wirkt. Das erklärt, warum beispielsweise ein durch einen elektrischen Weidezaun zugefügter Stromschlag weder auf Menschen noch auf Tiere bleibende Folgen hat, da die Stromimpulse zu kurz sind, um die Nervenzellen zu erregen. Schließlich spielt auch der Weg, den der Strom durch den Körper nimmt, eine Rolle, wobei der vertikale Weg, bei dem der Strom durch alle lebenswichtigen Organe fließt, der gefährlichste ist.[8]
Letztlich bestimmt die Stromstärke[8] pro Fläche, also die Stromdichte, sowie deren Einwirkdauer die Auswirkungen.[9][10] Beispielsweise bewirken hohe Ströme an den Ein- und Austrittstellen Verbrennungen der Haut, die Strommarken genannt werden. Einen Anhalt über die zu erwartenden Auswirkungen auf den menschlichen Körper gibt folgende Tabelle.[7] Diese Werte sind jedoch stark abhängig von dem Stromweg und gelten nur, wenn sich der Strom über den Hautwiderstand im Körper verteilt und nicht z. B. auf den Herzmuskel konzentriert. So genügen für den Herzmuskel selbst bereits 0,01 mA,[11] um Herzkammerflimmern auszulösen. Wenn etwa Elektroden unter der Haut oder sogar in der Nähe des Herzens oder anderer empfindlicher Organe implantiert werden, können die bei gewöhnlichen Haushaltsgeräten vergleichsweise noch zulässigen Größenordnungen von Kriechströmen hier lebensbedrohlich sein.[12]
Stromstärke | Wirkung |
---|---|
unter 0,5 mA | nicht wahrnehmbar (evtl. mit der Zunge wahrnehmbar) |
10 … 25 mA | Kontraktionen der Fingermuskeln (Loslassgrenze), Blutdrucksteigerung, keine Auswirkung auf Erregungsleitungssystem des Herzens, für Kinder möglicherweise bereits tödlich[13] |
25 … 80 mA | Bewusstlosigkeit, Arrhythmie, Blutdrucksteigerung |
80 mA … 3 A | Atemstillstand, Kreislaufstillstand durch Kammerflimmern bzw. Asystolie |
über 3 A | zusätzlich Verbrennungen |
Die entsprechende Angabe von Berührungsspannungen ist nur möglich (siehe Ohmsches Gesetz), wenn der entsprechende Körperwiderstand bekannt wäre. Beispielsweise im Falle des Hausstromanschlusses (230 V) und einem Körperwiderstand von näherungsweise 3 kΩ (bei Stromweg zwischen einer Fingerspitze der linken Hand und einer Fingerspitze der rechten Hand unter verschiedenen Bedingungen), ergibt sich ein Strom von ca. 75 mA, der zu den oben genannten Reaktionen und in der Folge auch zum Tod führen kann. Feuchte oder nasse Haut kann den Körperwiderstand massiv absenken. Das Berühren von Gegenständen unter Kleinspannung (U∼displaystyle U_sim < 50 V) gilt für erwachsene Menschen als nicht lebensbedrohlich.
Literatur |
- Klaus Lunze: Theorie der Wechselstromschaltungen: Lehrbuch. Verlag Technik, Berlin 1991, ISBN 3-341-00984-1.
- Heinz Rieger: Wechselspannung, Wechselstrom. Publicis Corporate Publishing, Erlangen 1992, ISBN 3-8009-4036-1.
- Paul Vaske: Berechnung von Wechselstromschaltungen. Teubner, Stuttgart 1985, ISBN 3-519-20065-1.
- Gert Hagmann: Grundlagen der Elektrotechnik. 15. Auflage. AULA-Verlag. Wiebelsheim, ISBN 978-3-89104-747-7
Weblinks |
Wiktionary: Wechselstrom – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Wechselstrom – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Flash-Animation zum Wechselstromverlauf. Dieter Welz Unterrichtsmaterialien, abgerufen am 1. Oktober 2007.
Einzelnachweise |
↑ DIN 40110-1:1994 Wechselstromgrößen – Zweileiter-Stromkreise
↑ ab Elektrische Energietechnik Microsoft Encarta Version: 13.0.0.0531 ©1993–2003.
↑ Toni Schmidberger: Das erste Wechselstrom-Kraftwerk in Deutschland, 1984, S. 9–33
↑ In Search of Long Distance Hydro-Electric Transmission (englisch)
↑ Schmidt, Lang, Thews: Physiologie des Menschen. 29. Auflage. Springer, Heidelberg 2005, ISBN 3-540-21882-3, S. 556.
↑ H.-W. Baenkler et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. 1. Auflage. Thieme, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-13-141671-1, S. 684 f.
↑ ab J. Koppenberg, K. Taeger: Stromunfälle. In: Notfall & Rettungsmedizin. Nr. 4. Springer-Verlag, 2001, S. 283–298, doi:10.1007/s100490170061.
↑ ab David B. Lumenta, Lars-Peter Kamolz, Manfred Frey: Stromverletzungen. In: Wiener Klinisches Magazin. Nr. 2/2009, 2009, doi:10.1007/s00740-009-0141-6 (HTML [abgerufen am 19. August 2010]).
↑ Friedrich W. Ahnefeld: Sekunden entscheiden: Notfallmedizinische Sofortmaßnahmen. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-09845-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 30. Oktober 2016]).
↑ Reanimation - Empfehlungen für die Wiederbelebung. Deutscher Ärzteverlag, 2007, ISBN 978-3-7691-0529-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 30. Oktober 2016]).
↑ Bei direktem Kontakt mit dem Herzen führt 0,01 mA zu Herzkammerflimmern – mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,2 %… Siehe Norbert Leitgeb: Sicherheit von Medizingeräten: Recht – Risiko – Chancen. Springer-Verlag, 2015, ISBN 978-3-662-44657-7, S. 176 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 8. Juli 2016]).
↑ Douglas C. Giancoli: Physik. Pearson Deutschland GmbH, 2006, ISBN 978-3-8273-7157-7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 19. November 2016]).
↑ Mitteldeutsche Zeitung: Experte: 0,1 Ampere können schon tödlich sein. In: Mitteldeutsche Zeitung. (mz-web.de [abgerufen am 19. November 2016]).