Hallenkirche





St. Wolfgang in Schneeberg im Erzgebirge





Paderborner Dom, Quersatteldächer über den Jochen der Seitenschiffe, 13. Jh.


Die Hallenkirche ist ein Bautyp einer Kirche, der durch die Gestalt des Langhauses gekennzeichnet ist. Dessen Schiffe sind von gleicher oder annähernd gleicher Höhe und meist unter einem gemeinsamen Dach vereinigt. Im Unterschied zur Basilika hat die Hallenkirche keinen Obergaden. Neben der Saalkirche, der Basilika und dem Zentralbau bildet dieser Bautyp einen der Grundtypen des christlichen Kirchenbaus.




Inhaltsverzeichnis





  • 1 Formen


  • 2 Geschichte

    • 2.1 Baugeschichten



  • 3 Regionale Bauformen

    • 3.1 Westfalen


    • 3.2 Sachsen


    • 3.3 Süddeutschland


    • 3.4 Österreich


    • 3.5 Siebenbürgen



  • 4 Galerie


  • 5 Literatur


  • 6 Weblinks


  • 7 Einzelnachweise




Formen |





Stephansdom in Wien, Stufenhalle: Kämpfer der Mittelschiffsgewölbe unter Scheiteln von Arkaden und Seitenschiffsgewölben




(Entwidmete) Westerkerk in Enkhuizen mit hölzernem Tonnengewölbe


Neben der am häufigsten anzutreffenden dreischiffigen Form gibt es fünfschiffige und asymmetrische Formen mit nur einem Seitenschiff. Es gibt auch symmetrische Hallenkirchen mit mittlerer Säulenreihe und zwei oder vier Schiffen.


Hallenkirchen können schlichte Holzbalkendecken oder Gewölbe besitzen. Sie sind mit oder ohne Querhaus anzutreffen und mit unterschiedlicher Ausbildung des Chors erbaut.


Als „Staffelhalle“, „Stufenhalle“ oder „gestufte Halle“ bezeichnet man einen Bau, bei dem das Mittelschiff etwas höher aufragt als die Seitenschiffe. Die Gewölbe des Hauptschiffs können zwar etwas höher ansetzen als die der Seitenschiffe, aber die Höhenbereiche überlappen einander.


Von einer „Pseudobasilika“ spricht man, wenn das Mittelschiff deutlich höher aufragt als die Seitenschiffe und eine Mittelschiffwand (Obergaden) über den Arkaden ausbildet, die jedoch – anders als bei einer echten Basilika – fensterlos bleibt. Während bei einer Basilika die Außenwände der Kirche relativ niedrig bleiben können, gehen bei Hallenkirchen die äußeren Fensterwände über die volle Höhe des Baus und erreichen bei großen Bauten beachtliche Maße.


Außer Hallenkirchen, deren Innenraum nur aus Gemeindehalle und Altarraum (als Apsis und/oder Chor) besteht, kann auch die Gemeindehalle oder der Chor einer Kirche mit kreuzförmigem Grundriss als Halle im Sinne gleich hoher Schiffe ausgebildet sein, während ein anderer Teil des Langhauses die Höhengliederung einer Basilika hat. Beispielsweise ist der Stephansdom in Wien eine Basilika mit Hallenchor. Auch bei Kirchen mit Vierungskuppel kann ein Teil des Langhauses eine Halle mit gleich hohen Schiffen sein.



Geschichte |





Bartholomäuskapelle (Paderborn)





St. Lamberti (Münster)




annähernd quadratischer Grundriss der Wiesenkirche in Soest (Westfalen)




gleich breite Kirchenschiffe der Stadtpfarrkirche St. Martin in Lauingen (Donau)




Der erste deutsche Hallenumgangschor: Der Dom von Verden an der Aller in Niedersachsen.


Wohl seit dem 9. Jahrhundert begann in Italien die Entwicklung des dreischiffigen gewölbten Raumes im Bereich der Krypten. Während es sich dabei vorwiegend um Säulenhallen handelte, stellte die Hallenkrypta des Doms zu Speyer eine Weiterentwicklung dar, da sie den Raum durch Pfeiler mit Halbsäulen, Wandvorlagen und Gewölbebögen klar gliedert.
Seit ungefähr 1000 nach Christus war die tonnengewölbte Hallenkirche in Katalonien und Südwestfrankreich ein verbreiteter Bautypus vor allem für kleinere Kirchenbauten. Sie blieb im Raum südlich der Loire und auf der iberischen Halbinsel die dominierende Bauform. Im Poitou entstanden Großbauten wie Saint-Hilaire le Grand in Poitiers. Die Kathedrale von Poitiers stellt die frühgotische Weiterentwicklung dieses Typs dar.


Die Bartholomäuskapelle in Paderborn aus dem Jahre 1017 gilt als älteste Hallenkirche nördlich der Alpen. Auch ein paar andere romanische Kirchen in Deutschland wurden mit Schiffen einer Höhe errichtet. Die Elisabethkirche in Marburg, eine der ersten beiden in gotischem Stil begonnenen Kirchen in Deutschland, ist eine Hallenkirche. In der Epoche der Gotik wurden in Mitteleuropa und dem Ostseeraum zwar weiterhin auch Basiliken gebaut, aber seit dem 14. Jahrhundert eine sehr große Zahl der neuerrichteten Gotteshäuser waren Hallenkirchen. Mancherorts war es nur die größte Pfarrkirche einer Stadt, mancherorts waren es mehrere.
Besonders in der Phase der Spätgotik wurden zahlreiche ältere Basiliken zu Hallenkirchen umgebaut. Auch ein paar Kathedralen erhielten ein Hallenschiff und/oder einen Hallenchor. Die Anwendung der Hallenstruktur auf die Bauform des Umgangchores tritt erstmals Hallenchor im Dom von Verden an der Aller, in Süddeutschland zuerst im Münster von Schwäbisch Gmünd auf. Ein paar kleine einschiffige Kirchen wurden zu Hallenkirchen erweitert, indem man eine Außenwand des alten Schiffs in eine Arkade verwandelte und ein zweites Schiff gleicher Höhe daneben setzte. Mit der Entwicklung der spätgotischen Netzgewölbe gab es bei der Entwicklung des Raumeindrucks zwei gegenläufige Tendenzen: Wo das Netzgewölbe eine zierliche Weiterentwicklung des Tonnengewölbes war, wurden Hauptschiff und Seitenschiffe wieder stärker voneinander abgegrenzt. Mancherorts aber gelangen nahezu flächige Netzgewölbe auf schlanken Säulen, die die Halle kaum noch unterteilten.


In der Spätgotik war die Hallenkirche besonders für Deutschland kennzeichnend und wird daher manchmal als eine der deutschen Besonderheiten bei der Ausformung des „gotischen“ Stils betrachtet. In der älteren Literatur wurde unter dem von Kurt Gerstenberg geprägten Begriff der „Deutschen Sondergotik“ die Raumform der spätgotischen Hallenkirche idealisiert. Die damit verbundene Behauptung, die Hallenkirche sei eine typische Bauform der bürgerlichen Stadtpfarrkirche und ihr Raumbild sei sozusagen „demokratischer“ als die Basilika, wird heute kritisch gesehen.[1]



Baugeschichten |


Von den Hallenkirchen im deutschen Sprachgebiet und ehemaligen deutschen Sprachgebieten ist ein großer Teil durch den Umbau einer Basilika entstanden oder anstelle einer früheren Basilika errichtet worden (s. o.). In Westfalen und Flandern, zwei Gebieten mit besonders großer Dichte an Hallenkirchen, sind mancherorts einschiffige Kirchen zu Hallenkirchen erweitert worden, indem man an das vorhandene Schiff ein oder zwei Schiffe etwa gleicher Höhe anbaute, oft mit eigenen Dachstühlen.


Es gibt jedoch zwei prominente Ausnahmen, heutige Basiliken, die als Hallenkirche geplant waren: Das Schiff der Marienkirche in Lübeck war schon bis in große Höhe als Halle gediehen, als man sich aus Ehrgeiz entschied, das Mittelschiff höher zu bauen. Beim Bau des Ulmer Münsters traten Instabilitäten auf, und zur Abwendung einer Katastrophe ersetze man die angefangenen hohen Seitenschiffe unter Vervielfachung der Säulenzahl durch Paare von Seitenschiffen geringerer Höhe mit doppelt so vielen Jochen.



Regionale Bauformen |


Die Zahl regionaler Variationen der Bauform ist groß und lässt sich nur schwer in einem erzählerischen Bogen darstellen. Darum sei hier auch auf die mit zahlreichen, teilweise kommentierten, Abbildungen illustrierte europaweite Liste der Hallenkirchen verwiesen.



Westfalen |


In der westfälischen Architektur der Spätromanik bildeten sich einige Sonderformen der Hallenkirche heraus, so durch Einfügen von Zwischenpfeilern die Hallenkirche gebundener Ordnung[2] sowie die Wandpfeilerhalle mit nach innen gezogenem Stützensystem.[3]
In den Städten Westfalens erreichten nicht nur bürgerliche Hallenkirchen, sondern beispielsweise auch der Mindener Dom eine Sonderform von im Ideal quadratischem Grundriss.[4] Wichtige Beispiele sind die Petrikirche in Dortmund, die Wiesenkirche in Soest und St. Lamberti in Münster. Alle drei sind kaum länger als breit, man spricht hier auch vom Westfälischen Quadrat. Eine der ältesten westfälischen Hallenkirchen, an der sich die Entwicklung des westfälischen Typs der Hallenkirche, der architektonisch bis nach Nordosteuropa ausstrahlte, gut ablesen lässt, ist die Hohnekirche in Soest. Der Gemeinderaum dieser Kirche ist tatsächlich breiter als lang.



Sachsen |


Eine regionale Häufung hochentwickelter spätgotischer Gewölbetechnik stellen die so genannten obersächsischen Hallenkirchen dar. Beispiele sind der Freiberger Dom, die St.-Wolfgangs-Kirche in Schneeberg, die St. Marienkirche in Marienberg, die St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz und die Marienkirche in Pirna.



Süddeutschland |


Zu den ersten Hallenkirchen in Süddeutschland gehört das Heilgkreuzmünster in Schwäbisch Gmünd.
Mehrere Hallenkirchen aus Backstein entstanden in Bayern unter der Mitwirkung Hans von Burghausens.
Zu den bekanntesten Hallenkirchen in Franken gehören St. Georg in der ehemaligen Freien Reichsstadt Dinkelsbühl und der Chor von St. Sebaldus in Nürnberg.



Österreich |


In Österreich wurde nach bedeutenden Vorläufern in Tulln (Dominikanerkirche) mit dem 1295 geweihten Hallenchor der Stiftskirche Heiligenkreuz eines der größten und zugleich innovativsten Beispiele dieses Bautypus errichtet. Ausgehend davon begann 1327 der Bau des Neuberger Münsters, einer besonders eindrucksvollen, architektonisch einheitlichen und klaren Halle mit geradem Chorabschluss.


Der Typus der zweischiffigen Hallenkirche hat sich im Inn-Salzach-Gebiet entwickelt, er ist auch im Mühlviertel verbreitet. Ihm gehören mehrere Kirchen im oberösterreichischen Innviertel an (Spitalkirche in Braunau, die Pfarrkirchen in Eggelsberg, Hochburg am Weilhart, Ried im Innkreis, Handenberg, Helpfau). In Oberbayern folgen ihm die Pfarrkirchen von Schnaitsee, Burgkirchen am Wald, die Expositurkirche in Oberbuch (Gemeinde Tyrlaching) und die Pfarrkirche von Tacherting, in Oberösterreich weiter die Kirchen von Laakirchen und nördlich der Donau die Kirchen in Mauthausen, Kreuzen, Gramastetten, Königswiesen, Arbing, Ried in der Riedmark und Schenkenfelden, in Tschechien die Wallfahrtskirche in Kájov (Gojau) sowie als Gotteshaus außerhalb des Christentums die Altneu-Synagoge in Prag. Der Typus prägte auch Kirchen wie die Franziskanerkirche in Berchtesgaden und die Stadtpfarrkirche in Schwaz und beeinflusste u. a. die Walseer Kapelle im ehemaligen Franziskanerkloster Enns.[5]


Eine Besonderheit stellt die Pfarrkirche "Zu unserer lieben Frau Mariä Himmelfahrt" in Schwaz dar, die einen vierschiffigen Innenraum hat. Sie ist die größte Hallenkirche in Europa, die vierschiffig ist.



Siebenbürgen |


Die größte spätgotische Hallenkirche östlich von Wien ist die Schwarze Kirche in Brașov, Siebenbürgen aus dem 14. Jahrhundert.



Galerie |



Literatur |


  • Hans Erich Kubach, Isolde Köhler-Schommer: Romanische Hallenkirchen in Europa. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1997.


Weblinks |



 Commons: Hallenkirchen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Hallenkirche – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

  • Hallenkirchen in Westfalen


Einzelnachweise |



  1. Hans-Joachim Kunst: Zur Ideologie der deutschen Hallenkirche als Einheitsraum. In: Architectura: Zeitschrift für Geschichte der Architektur. 1, 1971, S. 38–53


  2. Kurt Röckener: Die münsterländischen Hallenkirchen gebundener Ordnung, Untersuchungen zu einer Baugruppe des 13. Jahrhunderts. Münster 1980


  3. Johann Josef Böker: Die spätromanische ‚Wandpfeilerhalle‘: Entstehung und Rezeption einer Sonderform des Kleinkirchenbaus im Umkreis des Wittgensteiner Landes, in: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde, 62, 1984, S. 54–76


  4. Elisabeth Fink. Die gotischen Hallenkirchen in Westfalen. Emsdetten 1934.


  5. Herbert Schindler: Große Bayerische Kunstgeschichte. Band I. Süddeutscher Verlag, München 1963, S. 323 f.








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