Libanon
الجمهورية اللبنانية (arab.) al-Ǧumhūriyya al-lubnāniyya | |||||
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Amtssprache | Arabisch | ||||
Hauptstadt | Beirut | ||||
Staatsform | parlamentarische Republik | ||||
Regierungssystem | parlamentarisches Regierungssystem | ||||
Staatsoberhaupt | Präsident Michel Aoun | ||||
Regierungschef | Saad Hariri | ||||
Fläche | 10.452 km² | ||||
Einwohnerzahl | 6.229.794 (Juli 2017, geschätzt)[1] | ||||
Bevölkerungsdichte | 563 Einwohner pro km² | ||||
Bevölkerungsentwicklung | ▲ +0,84 % (2016)[2] pro Jahr | ||||
Bruttoinlandsprodukt
| 2017[3]
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Index der menschlichen Entwicklung | ▬ 0,763 (76.) (2016)[4] | ||||
Währung | Libanesisches Pfund (LBP) | ||||
Unabhängigkeit | 22. November 1943 (von Frankreich) | ||||
Nationalhymne | Kullunā li-l-watan li-l-ʿulā li-l-ʿalam | ||||
Nationalfeiertag | 22. November | ||||
Zeitzone | UTC+2 UTC+3 (März bis Oktober) | ||||
Kfz-Kennzeichen | RL | ||||
ISO 3166 | LB, LBN, 422 | ||||
Internet-TLD | .lb | ||||
Telefonvorwahl | +961 | ||||
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Der Libanon (amtlich: Libanesische Republik; arabisch الجمهورية اللبنانية) ist ein Staat in Vorderasien am Mittelmeer. Er grenzt im Norden und Osten an Syrien und im Süden entlang der Blauen Linie an Israel. Im Westen wird er vom Mittelmeer begrenzt. Der Libanon wird zu den Maschrek-Ländern und zur Levante gerechnet. Das bis zu 3000 Meter hohe Libanon-Gebirge ist im Winter schneebedeckt. Von dessen weißen Gipfeln wird der Landesname abgeleitet, der auf die semitische Sprachwurzel lbn („weiß“) zurückgeht.
Im Libanon lebten im Juli 2015 etwa 6,18 Millionen Menschen, wovon knapp die Hälfte auf die Hauptstadtregion Beirut entfällt. Weitere Großstädte sind Tripoli, Sidon, Tyros, Zahlé, Jounieh und Nabatäa.
Inhaltsverzeichnis
1 Geographie
1.1 Klima
2 Bevölkerung
2.1 Sprachen
2.2 Religionen
2.3 Diaspora
3 Geschichte
3.1 Entstehung des Staates
3.2 Bürgerkrieg im Libanon
3.3 Syrischer und israelischer Einfluss
3.4 Zedernrevolution
3.5 Zweiter Libanonkrieg
3.6 Innere Krise und neues Abkommen
4 Politik
4.1 Staatsaufbau
4.2 Parlament
4.3 Parteien
4.4 Soziales
5 Militär
6 Verwaltungsgliederung
7 Wirtschaft
7.1 Außenhandel
7.2 Kennzahlen
7.3 Staatshaushalt
8 Verkehr
8.1 Schienenverkehr
8.2 Häfen
8.3 Straßenverkehr
8.4 Öffentliche Verkehrsmittel
9 Kultur
9.1 Architektur
9.2 Medienlandschaft
9.3 Feiertage
9.4 Libanesische Küche
9.5 Literatur
10 Literatur
11 Weblinks
12 Einzelnachweise
Geographie |
Das Land gliedert sich in vier Landschaftszonen, die parallel zur Küste verlaufen:
- Der 225 km lange, schmale steile Küstenstreifen, der sich nur im Norden und Süden ausweitet.
- Das stark zerklüftete Libanon-Gebirge
- Die Bekaa-Ebene, die im Regenschatten des Libanon-Gebirges liegt, jedoch aufgrund von künstlicher Bewässerung sehr fruchtbar ist (Weinanbau, Getreide, Milchwirtschaft, Obst)
- Der trockene Anti-Libanon-Gebirgszug und der Hermon, der die Grenze zu Syrien bildet.
Der Litani ist mit 140 km der längste Fluss des Libanon, dessen Lauf vollständig innerhalb des Staatsgebietes liegt.
Klima |
Entsprechend den Unterschieden in der Landschaft des Libanon ist auch das Klima sehr unterschiedlich. An der Küste herrscht mediterranes Klima mit trockenen, warmen Sommern und feuchten, regenreichen Wintern. Im Gebirge herrscht ausgesprochenes Gebirgsklima, wobei auch hier der Hauptniederschlag im Winter fällt und dann hauptsächlich in Form von Schnee. An der Grenze zu Syrien herrscht ein trockenes Steppenklima, welches den Übergang zum Wüstenklima des südlichen Syriens und Jordaniens bildet. In Beirut liegen die Temperaturen am Tag bei durchschnittlich 18 °C im Januar und bei 30 °C im Juli und August. Im Dezember und Januar gibt es durchschnittlich 11 Regentage in Beirut, während der August im Allgemeinen völlig trocken bleibt.
Bevölkerung |
Der Libanon hat ungefähr 6,23 Millionen Einwohner (Stand 2017, geschätzt). Davon sind etwa 95 % arabischer, 4 % armenischer, 1 % anderer Abstammung. Im Land verteilt leben zudem kurdische, 408.438 bei UNRWA registrierte palästinensische sowie irakische und syrische Flüchtlinge. Zudem gibt es arabischsprachige Mhallamis aus der Türkei, die hauptsächlich in den 1920er und 1940er Jahren in den Libanon eingewandert sind.
Da der Libanon für die letzten 50 Jahre eine sehr starke Landflucht aufweist, lebt der Großteil der Bevölkerung in Städten, vor allem in der Hauptstadt Beirut und Vororten. Dort lebt und arbeitet fast die Hälfte der Libanesen.
Der Libanon hat mit ca. 79 Jahren im Zeitraum von 2010 bis 2015 eine der höchsten Lebenserwartungen in der Arabischen Welt. Gleichzeitig eine relativ niedrige Fertilitätsrate von 1,6 Kindern pro Frau.[5] Deshalb wird erwartet, dass die Bevölkerung des Landes in den nächsten Jahrzehnten stark altern wird.
Alphabetisierungsgrad Erwachsene (> 15 Jahre) 2015 (geschätzt): 93,9 %[6]
Geburtenziffer 2011 (geschätzt): 1,6 Kinder pro Frau
Kindersterblichkeit 2011 (geschätzt): 1,5 %
Sterberate 2011 (geschätzt): 0,6 %
Sprachen |
Die große Mehrheit der Libanesen spricht als Muttersprache libanesisches Arabisch, ein dem syrischen Arabisch und dem palästinensischen Arabisch sehr ähnlicher Dialekt; in Zeitungen, Magazinen und in den öffentlichen Rundfunkmedien wird oft das Hocharabische verwendet. Minderheiten sprechen Armenisch (Westarmenisch), Kurdisch und Aramäisch, das auch die Liturgiesprache der maronitischen Kirche und anderer syrischer Kirchen ist.
Daneben ist auch Französisch als Verkehrs- und Elitesprache und in letzter Zeit als Drittsprache auch Englisch verbreitet. Fast 40 % der Libanesen sind frankophon und weitere 15 % „teilweise frankophon“; zwei Drittel der Sekundarschüler Libanons verwenden Französisch als Unterrichtssprache.[7] Von diesen verwenden noch gut 20 % Französisch täglich. Das Englische wird inzwischen in einem Drittel der Sekundarschulen des Libanon als Zweitsprache verwendet.[7] Es gewinnt zunehmend in der Wissenschaft und in Wirtschaftsinteraktionen an Bedeutung, während Französisch die Sprache ist, die allgemein von Intellektuellen verwendet wird.[8]
Religionen |
Es gibt im Libanon 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, die größten davon sind maronitische Christen, schiitische und sunnitische Muslime. Daneben gibt es Drusen, rum-orthodoxe Christen, melkitische griechisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, Alawiten, armenisch-katholische Christen und protestantische Christen sowie koptische Christen und wenige Juden.
Im Jahr 1956 wurde der Anteil der Christen im Libanon mit 54 % der Bevölkerung angegeben, bildete damit die Mehrheit gegenüber Muslimen und Drusen.[9] Weil seit 1932 keine Volkszählung mehr erhoben worden ist,[10] liegen keine verlässlichen Schätzungen für die Größe der einzelnen Glaubensgemeinschaften vor. Jedoch wird geschätzt, dass der Anteil der Christen aufgrund niedrigerer Geburtenraten, höherer Emigration sowie überwiegend nicht-christlicher Immigration auf etwa 39 % zurückgegangen ist und somit nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit des Landes stellt.[9][11] Die Maroniten leben vor allem im Westen und Osten des Landes, die orthodoxen Christen insbesondere im Nordwesten.[12]
Nach den neuesten Angaben müssten inzwischen Muslime einen Anteil von bis zu 59,7 % ausmachen.[13] Die Sunniten leben hauptsächlich in den Küstenstädten Beirut, Sidon und Tripoli sowie in ländlichen Gebieten im Südosten und Norden des Landes, während die Schiiten besonders in den südlichen Vororten (Dahiya) von Beirut, im Nordosten und Süden leben.[12] Die Zahl der Schiiten betrug 1980 Schätzungen zufolge 780.000 und 1,37 Millionen im Jahr 1996.[14] Daneben gibt es die Drusen, die 7 % der Bevölkerung stellen und nicht mehr den schiitischen Muslimen zugerechnet werden. Die Mehrheit der Drusen lebt verstreut im Zentrum des Landes.[12]
Diaspora |
Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind vor allem christliche Libanesen aufgrund von religiösen Repressionen aus ihren Heimatgebieten im damaligen Osmanischen Reich ausgewandert.[15] Seither existiert eine mehrere Millionen Personen zählende libanesische Diaspora, welcher größer als die Bevölkerung des Libanon ist. Sie lebt vor allem in Lateinamerika, Frankreich sowie in den frankophonen Staaten Subsahara-Afrikas.[16] In den ersten Jahren des Bürgerkriegs verließen vermutlich mehr als eine halbe Million Menschen das Land – da offizielle Zahlen nicht verfügbar sind, handelt es sich um Schätzungen.
Brasilien hat die größte Zahl an Menschen libanesischer Herkunft. Geschätzt auf etwa 7 Millionen, wird die libanesischstämmige Minderheit überwiegend von Christen gebildet, deren Vorfahren bei einer Einwanderungsbewegung in den 1850er Jahren kamen.[17] Eine große Anzahl von Libanesen emigrierte zudem nach Westafrika, speziell in die Elfenbeinküste (Heimat von über 100.000 Libanesen)[18] und in den Senegal (knapp 30.000 Libanesen).[19]Australien ist die Heimat von über 270.000 Libanesen (Schätzung 1999).[20] Frankreich stellte seit dem späten 19. Jahrhundert einen kulturellen Bezugspunkt vor allem für die intellektuelle Oberschicht des Landes dar; eine dauerhafte Einwanderung von Libanesen nach Frankreich gibt es seit dem Beginn des Bürgerkrieges im Jahr 1975.
Geschichte |
Im Altertum spielten den Libanon einbeziehende Großreiche wie Ägypten und Assyrien und die weitgehend unabhängigen phönizischen Stadtstaaten Byblos, Tyros und Sidon eine bedeutende Rolle im östlichen Mittelmeerraum. Die Handelskolonien der Phönizier nahmen im westlichen und südlichen Mittelmeer bis zum Aufstieg des Römischen Reiches eine beherrschende Stellung ein.
Eine spezifische libanesische Identität findet sich erstmals Anfang des 19. Jahrhunderts in Schriften von Historikern.[21] Der politische Vorläufer des Libanon war eine ab 1860 bis 1916 von einem christlichen Gouverneur, der aber nicht aus dem Libanon stammen durfte, geführte autonome Provinz Libanonberg innerhalb des Osmanischen Reiches. Dieser entstand aufgrund des Maronitisch-Drusischen Konflikts von 1860 und den Massakern an Christen in Damaskus.
Entstehung des Staates |
Ab 1920 entstanden die heutigen Landesgrenzen unter einem französischen Völkerbundsmandat. Es war unter dem Namen État de Grand Liban Teil des Mandats für Syrien und den Libanon und erhielt 1926 als Republik eine gewisse Eigenständigkeit. Am 26. November 1941 kündigte der französische General Georges Catroux die Unabhängigkeit des Libanon sowie seine Unterordnung unter die freifranzösische Regierung an. Im November 1943 fanden Wahlen statt, und am 8. November löste die neue libanesische Regierung das französische Mandat einseitig auf.
Am 22. November 1943 fand die Wiedereinsetzung der Regierung durch libanesische Amtsträger statt; dies ist zugleich auch der offizielle Unabhängigkeitstag. Direkt nach der Unabhängigkeit des Libanon wurden etwa 20.000 Mann Freiwillige unter dem Kommando des späteren Präsidenten Fouad Chehab in die freifranzösische Armee unter Charles de Gaulle eingegliedert, wo sie in Bir Hakeim und bei Monte Cassino ihren Beitrag zum Erfolg der Alliierten im mediterranen Kriegsschauplatz leisteten. Der unabhängige Libanon war im Zweiten Weltkrieg somit Teil der „Anti-Hitler-Koalition“ und später auch Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, bei dessen Gründungsversammlung in San Francisco im Februar 1945 der libanesische Delegierte Charles Malik neben Eleanor Roosevelt eine dominierende Rolle spielte und wesentliche Teile der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mitverfasste.
Seit Ausrufung des Nachbarstaates Israel befindet sich Libanon im Kriegszustand mit Israel. Im Jahr 1958 kam es zur Libanonkrise zwischen pro-westlichen Christen und nationalistischen Muslimen in der Zeit des Kalten Krieges. Wegen seiner wirtschaftlichen Stabilität und politischen Neutralität (1949–1969) wurde jedoch der stark westlich oder französisch geprägte Libanon in den 1950er und 1960er Jahren auch als „Schweiz des Orients“ bezeichnet. Die Hauptstadt Beirut galt bis 1984 sogar als „Paris des Nahen Ostens“. Das Frauenwahlrecht wurde 1953 eingeführt.[22]
Bürgerkrieg im Libanon |
Von Mitte der 1970er Jahre bis 1990 wurde das Land von einem ersten Bürgerkrieg heimgesucht. Der Bürgerkrieg nahm im April 1975 mit dem Ausbruch offener Gefechte zwischen der maronitischen Kata’ib (auch Phalange-Miliz) und palästinensischen und libanesisch-muslimischen Milizen seinen Anfang. Als Beginn gilt der 13. April, als die Kata'ib nach einem Anschlag auf eine Kirche die palästinensischen Insassen eines Busses auf dem Rückweg in ein Flüchtlingslager massakrierten.
Die Ursachen des Bürgerkrieges werden unterschiedlich diskutiert. Während die einen vor allem den Konflikt mit den Palästinensern in den Vordergrund stellen, sehen andere die sich verschärfenden sozialen Unterschiede allgemein und im Besonderen entlang konfessioneller Grenzen als Ursache. Wieder andere betonen die Einflussnahme äußerer Mächte.
Diejenigen, die den Konflikt mit den Palästinensern betonen, weisen dabei auf den Verlust des ethnischen Gleichgewichts nach der Ankunft der im Jordanischen Bürgerkrieg 1970 aus Jordanien vertriebenen bewaffneten Kräfte der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) hin.
1976 marschierten syrische Soldaten im Libanon ein und griffen zunächst auf Seiten der christlichen Fraktion in den Krieg ein.
Die christlichen Libanesen fanden ihre stärkste Unterstützung in Israel, wo auch zahlreiche ihrer Kämpfer ausgebildet wurden.[23]
Am 14. März 1978, nach mehreren Anschlägen der PLO, deren letzter der Küstenstraßen-Anschlag bei Tel Aviv am 11. März 1978 war und den Tod von 37 Israelis verursachte und weitere 76 Menschen verletzte, marschierte die israelische Armee im Rahmen der Operation Litani in den Südlibanon ein und besetzte das Gebiet südlich des Flusses Litani. Dabei wurden zwischen 1.000 und 2.000 Personen getötet und nach Schätzungen der libanesischen Regierung rund 280.000 vertrieben. Fünf Tage nach dieser Invasion wurde die Resolution 425 des UN-Sicherheitsrates angenommen, zu deren Umsetzung United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)-Truppen im Südlibanon stationiert wurden. 1982 besetzte Israel den Süden des Landes und zwang die PLO in diesem Libanon-Feldzug am 21. August zum vollständigen Rückzug aus dem Libanon. Dieser wurde unter Aufsicht einer multinationalen Schutztruppe, überwiegend amerikanischer und französischer Soldaten, durchgeführt. Am 17. September 1983 beschoss die US Navy erstmals Stellungen der Syrer in der Nähe von Beirut. Die multinationale Friedenstruppe verließ allerdings Ende Februar bis Anfang März 1984 den Libanon, nachdem am 23. Oktober 1983 bei zwei Bombenanschlägen auf die multinationalen Hauptquartiere, die der Hisbollah zugeschrieben werden, 241 US-Soldaten und 58 Franzosen getötet wurden. 1985 richtete Israel eine Schutzzone im Vorfeld der israelischen Grenze ein.
Das Abkommen von Taif schuf erst 1989 die Grundlage für die Beendigung des Bürgerkrieges. Der Bürgerkrieg forderte 90.000 Todesopfer, 115.000 Verletzte und 20.000 Vermisste. 800.000 Menschen flohen ins Ausland.
Syrischer und israelischer Einfluss |
Mit dem syrisch-libanesischen Vertrag vom Mai 1991 konnte Syrien seine Funktion als Ordnungsmacht (Besatzungsmacht) im Libanon festigen.
1994 und 1995 bombardierte die israelische Armee wiederholt Stellungen der paramilitärischen, schiitischen Hisbollah im Südlibanon, um gegenüber der libanesischen Regierung der israelischen Forderung nach Entwaffnung der pro-iranischen Miliz Nachdruck zu verleihen. Die israelische Armee zog sich am 24. Mai im Jahre 2000 mit Ausnahme des umstrittenen Gebietes der Schebaa-Farmen vollständig aus dem Libanon zurück. Seit dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon im Jahr 2000 gab es fast regelmäßig im israelisch-libanesischen Grenzgebiet bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee.[24]
Der syrienfreundliche Präsident des Libanon Émile Lahoud konnte Ende 2004 sein abgelaufenes Mandat vom Parlament durch Verfassungsänderung um drei Jahre verlängern lassen. Dies führte rasch zum Rücktritt des anti-syrischen Premierministers Rafiq al-Hariri, nachdem sich dieser darüber hinaus auch mit seiner Forderung nach einem Abzug der syrischen Truppen nicht durchsetzen konnte.
Zedernrevolution |
Am 14. Februar 2005 wurde der anti-syrische Premierminister Rafiq al-Hariri durch ein Attentat auf seinen Fahrzeugkonvoi getötet. Dabei kamen auch weitere Menschen ums Leben.
Der Tod al-Hariris wurde zum Ausgangspunkt einer innenpolitischen Eskalation, der sogenannten Zedernrevolution. Eine breite oppositionelle Bewegung forderte vehement den Rückzug der syrischen Truppen. Diese Bewegung stützte sich vor allem auf Christen, Drusen und Sunniten, wurde aber auch von nennenswerten Teilen der schiitischen Bevölkerung mitgetragen. Auch die USA und Frankreich übten seit Ende Februar immer mehr Druck auf Syrien aus. Am 28. Februar trat die syrienfreundliche libanesische Regierung zurück. Syrien verständigte sich am 7. März mit dem Libanon, seine Truppen als ersten Schritt bis zum Ende des Monats ins östliche Bekaa-Tal zurückzuziehen. Ende April waren dann bereits alle 14.000 syrischen Soldaten in ihre Heimat zurückgekehrt.
Am 8. März 2005 rief die antiwestliche Hisbollah zu einer Demonstration auf, um gegen die UN-Resolution 1559 (die schon seit 2. September 2004 eine Entwaffnung dieser Gruppe fordert) zu protestieren. Viele der etwa 500.000 Teilnehmer an der Demonstration dankten aber auch den Syrern und wandten sich gegen die USA und Israel. Dies gab der pro-syrischen Fraktion genug Kraft, um den wenige Tage zuvor zurückgetretenen Premier Omar Karami am 10. März neuerlich mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Am 14. März versammelten sich bei einer weiteren Demonstration der Opposition 300.000 Menschen im Zentrum Beiruts. Die pro-syrischen Demonstrationen am 8. März und die antisyrischen am 14. März gaben daraufhin den zwei Lagern des neu entstandenen politischen Spektrums ihren Namen.
Am 15. April wurde Nadschib Miqati Ministerpräsident einer Übergangsregierung. Im Juni fanden Parlamentswahlen statt. Sie wurden von Saad al-Hariris oppositioneller anti-syrischer „Zukunftsbewegung“ gewonnen. Saad al-Hariri ist der Sohn des ermordeten Rafiq al-Hariri.
Am 30. Juli wurde der damalige Finanzminister Fuad Siniora von Präsident Lahoud mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Duldung des bewaffneten Arms der Hisbollah durch die libanesische Regierung setzte sich auch nach dem Wahlsieg der Opposition fort. Darüber hinaus wurde die Hisbollah nun erstmals an der Regierung beteiligt, dem Kabinett gehörte nun ein Minister (Energieminister) der schiitischen Hisbollah an. Die Freie Patriotische Bewegung (frz. Courant Patriotique Libre, CPL) des aus dem Exil zurückgekehrten ehemaligen christlichen Premierministers Michel Aoun, die seit 1990 friedlich gegen die syrische Besetzung gekämpft hatte, entschied sich gegen eine Regierungsbeteiligung.
Zweiter Libanonkrieg |
Die Hisbollah machte Israel für ein Attentat, dem Mahmoud Majzoub, Führer der islamistischen Bewegung Islamischer Dschihad, und dessen Bruder zum Opfer fielen, verantwortlich und begann ab 28. Mai 2006 mit Raketenangriffen auf Militärfahrzeuge und eine Militärbasis in Israel. Israel reagierte mit Luftangriffen auf ein palästinensisches Flüchtlingslager im Libanon. Am 29. Mai verstärkte die Hisbollah die Raketen- und Mörserangriffe, die Israel wiederum zu größeren Luft- und Artillerieangriffen veranlassten.[25]
Vom 12. Juli bis zum 14. August 2006 führte Israel dann einen Krieg gegen die Hisbollah im Libanon, nachdem diese zwei israelische Soldaten im israelisch-libanesischen Grenzgebiet gefangen genommen hatte (Libanonkrieg 2006). Die Hisbollah reagierte mit von libanesischem Territorium abgefeuerten Raketen auf Ziele im Norden Israels. Die israelischen Luftangriffe und Bodenoffensiven verursachten massive Zerstörungen in den südlichen Landesteilen, südlichen Teilen Beiruts und auch vereinzelten Zielen im Norden des Landes. Bei dem Krieg starben über 1100 Libanesen, davon laut libanesischen Quellen zur Mehrheit Zivilisten. Auf israelischer Seite kamen nach UN-Angaben über 40 Zivilisten durch die Raketenangriffe der Hisbollah auf Nordisrael ums Leben. Der Süden des Libanon ist seit Ende der Kampfhandlungen im Rahmen der UN-Resolution 1701 der internationalen Friedenstruppe UNIFIL und der libanesischen Armee unterstellt.
Innere Krise und neues Abkommen |
In einer Anschlagserie von 2004 bis 2008 kamen über ein Dutzend antisyrische Politiker und Intellektuelle ums Leben, darunter neben Rafiq al-Hariri auch Gebran Tueni, Samir Kassir, Walid Eido. Am 21. November 2006 wurde der maronitisch-christliche Minister Pierre Gemayel junior Opfer eines Mordanschlags.
Im Herbst 2006 traten die schiitischen und ein oppositionsnaher christlicher Minister aus Protest gegen die Pläne der Regierung zum Hariri-Tribunal zurück. Die antiwestliche Opposition unter Führung der Hisbollah, der Amal und der Freien Patriotischen Bewegung des maronitischen Politikers Michel Aoun sah aufgrund der nun entgegen dem konfessionellen Proporzsystem des Libanons weggefallenen schiitischen Vertretung im Kabinett die Regierung als illegitim an und bekräftigte ihre Forderung nach der Bildung einer neuen Regierung mit einem 18-monatigen Sitzstreik in der Innenstadt von Beirut. Parlamentspräsident Nabih Berri, der der oppositionellen Amal vorsteht, weigerte sich, Parlamentssitzungen einzuberufen.
Im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared kam es von Mai bis Juli 2007 zu den heftigsten Gefechten im Libanon seit dem Abkommen von Taif. Bei den mehrwöchigen Kämpfen zwischen der libanesischen Armee und der radikal-islamischen Untergrundorganisation Fatah al-Islam, die sich in dem Lager verschanzt hatte, wurden über zweihundert Personen getötet.
Als Émile Lahouds Amtszeit als Präsident im November 2007 auslief, machte die Opposition ihre für die notwendige Zweidrittelmehrheit erforderliche Beteiligung an der Präsidentenwahl des Parlaments von einer vorigen Einigung auf eine Regierung der nationalen Einheit und ein neues Wahlgesetz abhängig, obwohl das Mehrheitslager den Oppositionskandidaten, Armeechef Michel Sulaiman, akzeptiert hatte. Trotz zahlreicher Vermittlungsversuche blieb so das Amt des Präsidenten über sechs Monate vakant. Im Mai 2008 führte eine Entscheidung der Regierung über das Kommunikationsnetzwerk der Hisbollah schließlich zur Eskalation, in der Hisbollah- und Amal-Kämpfer vorübergehend Westbeirut besetzten.
Die Straßenkämpfe und der Einsatz von Artillerie im Chouf-Gebirge erinnerten an den Bürgerkrieg und bewegten die Arabische Liga dazu, eine Ministerdelegation unter Leitung des katarischen Außenministers und des Generalsekretärs der Liga nach Beirut zu entsenden. Unter ihrer Vermittlung nahm die Regierung die Beschlüsse gegen die Hisbollah zurück, die im Gegenzug ihre Barrikaden räumte. Bei anschließenden fünftägigen Verhandlungen in Doha, die mehrfach durch die katarische Führung vor dem Scheitern bewahrt werden mussten, einigten sich alle libanesischen Parteien schließlich auf die Wahl Sulaimans zum Präsidenten, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit 11 von 30 Posten für die Opposition, die damit Regierungsentscheidungen blockieren kann, sowie ein neues Wahlgesetz. Am 25. Mai 2008 wurde Michel Sulaiman im Beisein sowohl des iranischen und syrischen als auch des saudischen und französischen Außenministers zum Präsidenten gewählt. Seine Amtsperiode endete am 25. Mai 2014. Mehrere Wahlgänge seit März 2014 führten zu keinem Ergebnis, so dass das Amt des Staatsoberhauptes seit 26. Mai 2014 vakant blieb. Nach 29 Monaten Paralyse kehrte Michel Aoun dank neuer Allianzen im eigentlich ebenfalls über seine Amtszeit hinaus agierenden Parlament am 31. Oktober 2016 als Präsident in den Präsidentenpalast zurück.[26] Von 18. Dezember 2016 bis zu seinen Rücktritt[27] am 4. November 2017 war Saad Hariri amtierender libanesischer Ministerpräsident.
Politik |
Im Demokratieindex 2016 der britischen Zeitschrift The Economist belegt der Libanon Platz 102 von 167 Ländern und gilt damit als eine „Hybridregime“ aus demokratischen und autoritären Elementen.[28] Im Länderbericht Freedom in the World 2017 der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Freedom House wird das politische System des Landes als „teilweise frei“ bewertet.[29] Damit zählt es allerdings immer noch zu den freiesten Ländern innerhalb der Arabischen Welt.
Staatsaufbau |
Der Libanon ist seit 1926 eine Republik und derzeit eine parlamentarische Demokratie. Die innenpolitische Lage ist aufgrund des Konfessionalismus sehr komplex und wenig stabil. Mehrere Präsidenten, Ministerpräsidenten und andere Politiker wurden in der Geschichte des Libanon während oder nach ihrer Amtszeit ermordet. Die Verfassung von 1926 wurde zuletzt 1999 geändert, über deren Einhaltung wacht der Verfassungsrat des Libanon.
Die vier höchsten Staatsämter sind Mitgliedern bestimmter religiöser Gruppen vorbehalten:
- Das Staatsoberhaupt muss maronitischer Christ sein,
- der Parlamentspräsident muss schiitischer Muslim sein,
- der Regierungschef muss sunnitischer Muslim sein,
- der Oberbefehlshaber der Armee muss Christ sein.
Diese Regeln basieren nicht auf der Verfassung von 1926, sondern auf dem Nationalpakt von 1943 und wurden zwischen den Vertretern der Konfessionen zuletzt im Abkommen von Taif (1989) bestätigt.
Die Wahl des Staatsoberhauptes erfolgt alle sechs Jahre durch das Parlament (keine unmittelbare Wiederwahl). Das Wahlrecht besteht ab 21 Jahren. Am 31. Oktober 2016 wurde Michel Aoun zum Staatsoberhauptes gewählt, Regierungschef Tammam Salam ist als Nachfolger von Nadschib Miqati seit Februar 2014 im Amt.
Seit Februar 2006 tagen in unregelmäßigen Abständen zwölf ranghohe Politiker aller großen libanesischen Parteien und religiösen Gruppen an einem „runden Verhandlungstisch“ im Beiruter Regierungsviertel, um über wichtige nationale Fragen zu verhandeln („Nationaler Dialog“). So hat man sich bisher darauf geeinigt, dass die Schebaa-Farmen libanesisches Gebiet sind. Offen sind bis heute Fragen der Entwaffnung der Hisbollah und der im Libanon ansässigen palästinensischen Milizen. Seit 2008 wird hierfür an einer nationalen Verteidigungsstrategie gearbeitet, die den Rahmen für die staatlichen Streitkräfte wie auch für die „Résistance“ (der Hisbollah) bilden soll.
Parlament |
Das Parlament (Maǧlis an-Nuwwāb) mit 128 Mitgliedern wird alle vier Jahre gewählt. Es setzt sich seit dem Abkommen von Taif nach dem Grundsatz der konfessionellen Parität wie folgt zusammen:
maronitische Christen 34 von 128 Sitzen,
schiitische Muslime 27,
sunnitische Muslime 27,
Griechisch-orthodoxe Christen 14,
Drusen 8,
Rum-melkitische Katholiken 8,
orthodoxe Armenier 5,
Alawiten 2,
armenische Katholiken 1,
Protestanten 1,
Minderheiten 1
Die letzte Parlamentswahl seit 2005 fand im Jahr 2009 statt (siehe libanesische Regierung vom Juli 2005). Der Parlamentspräsident ist Nabih Berri (seit 1999).
Parteien |
Im Libanon herrscht – im Gegensatz zu vielen anderen arabischen Staaten in der Region – ein pluralistisches Parteiensystem vor.
Stärkste Parteien der prowestlichen Koalition „14. März“:
Zukunftsbewegung (Courant du futur) unter dem sunnitischen Führer Saad Hariri
Forces Libanaises (FL) als christliche politische Organisation, die im Jahre 1978 von dem gewählten, aber noch vor Amtsantritt ermordeten Präsidenten Bachir Gemayel gegründet wurde. Unter den pro-syrischen Regierungen litten die FL unter starken Beschränkungen. Erst die „Zedernrevolution“ Anfang 2005 und der darauf folgende Abzug der syrischen Truppen brachte unter anderem mit der Haftentlassung ihres Führers Samir Geagea den Forces Libanaises Betätigungsfreiheit.
Kataeb-Partei (Phalanges) unter dem christlichen ehem. Präsidenten Amin Gemayel
Sozialdemokratische Hntschak-Partei (Henchack) als Partei der Armenier
Stärkste Parteien der antiwestlichen Koalition „8. März“:
Hisbollah: im Bürgerkrieg entstandene schiitisch-religiöse Partei und Miliz, geführt von Hassan Nasrallah
Freie Patriotische Bewegung (FPM): Eine Bewegung, die seit 1990 gegen die syrische Besetzung des Landes protestiert hatte und noch bis zum Abzug der syrischen Armee verboten war. Ca. 16.000 Verhaftungen durch die syrische Besatzung und die Polizei musste die Bewegung hinnehmen. Geführt von dem maronitischen General Michel Aoun.
Amal-Bewegung: traditionelle schiitische Bewegung, die gegen die Besetzung des Landes durch Israel kämpfte. Nach dem Bürgerkrieg Versöhnung mit der Hisbollah.
Progressiv-Sozialistische Partei (PSP) des Drusenführers Walid Dschumblat. 2009 distanzierte sich Dschumblat vom 14. März und ordnete seine Partei in der Mitte ein.
Soziales |
Neben den staatlichen Sozialstrukturen sind auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen wie die National Institution of Social Care and Vocational Training tätig.
Militär |
Die Streitkräfte des Libanon bestehen aus den drei Teilstreitkräften Heer, Luftstreitkräfte und Marine und bestehen aus etwa 71.000 Soldaten. Alle drei Teilstreitkräfte werden vom Zentralkommando der libanesischen Streitkräfte in Jarzeh, im Osten von Beirut gelegen, kommandiert. Das Militär des Libanon setzte sich vor Abschaffung der Wehrpflicht 2008 aus Wehrpflichtigen zusammen, die ab dem 4. Mai 2005 einberufen wurden. Der Wehrdienst dauerte sechs Monate und die verpflichtende Reservezeit endete nach zwei Jahren.
Der Libanon gab 2017 knapp 4,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 2,4 Milliarden US-Dollar für seine Streitkräfte aus. Die Verteidigungsausgaben als Anteil der Staatsausgaben gehört mit 15,6 Prozent zu den höchsten der Welt.[30]
Verwaltungsgliederung |
Der Libanon ist in acht Gouvernements unterteilt, die sich aus insgesamt 25 Distrikten zusammensetzen: