Potsdamer Abkommen
Als Potsdamer Abkommen werden die auf der Potsdamer Konferenz auf Schloss Cecilienhof in Potsdam nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa getroffenen Vereinbarungen und Beschlüsse bezeichnet, die in einem Kommuniqué vom 2. August 1945 veröffentlicht wurden. Auf der Konferenz wurden hierzu unter anderem die von Deutschland zu entrichtenden Reparationen, die politische und geografische Neuordnung Deutschlands, seine Entmilitarisierung und der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern verhandelt und am 2. August 1945 festgeschrieben.
Teilnehmer dieser Konferenz waren die Regierungschefs der drei Siegermächte, also die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich und deren Außenminister. Anfangs waren dies Josef Stalin (Sowjetunion), Harry S. Truman (Vereinigte Staaten) und Winston Churchill (Vereinigtes Königreich). Nach der verlorenen Unterhauswahl kam am 28. Juli statt Churchill der neue Premierminister Clement Attlee in die Konferenz.
Frankreich war an dieser Konferenz nicht beteiligt, stimmte den Potsdamer Beschlüssen jedoch in sechs verschiedenen Schreiben vom 7. August 1945, jeweils gerichtet an die drei Mächte, unter Vorbehalten zu.[1] Der Wert dieser Vereinbarungen besteht darin, dass hierdurch einerseits eine Gesamtverantwortung aller Alliierten (die Vier Mächte) für Gesamtdeutschland festgestellt wurde, andererseits vereinbart wurde, dass in Deutschland demokratische politische Parteien und Gewerkschaften von den Besatzungsbehörden zu gestatten waren.
Die Geltung des Potsdamer Abkommens wie auch sämtlicher anderer auf alliierte „Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes“ abzielender „vierseitiger Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken“ wurde durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag beendet.[2][3]
Inhaltsverzeichnis
1 Protokoll und Kommuniqué
2 Rechtlicher Charakter
3 Geschichtliche Bedeutung
4 Inhalt des Protokolls
5 Folgen
5.1 Rat der Außenminister
5.2 Politische Grundsätze
5.3 Territoriale Entscheidungen
5.3.1 Nord-Ostpreußen (heute „Oblast Kaliningrad“)
5.3.2 Polen und die vorläufige Oder-Neiße-Grenze
5.3.2.1 Lausitzer Neiße oder Glatzer Neiße
5.3.2.2 Stettin
5.4 Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen
5.5 Neuordnung der politischen Verhältnisse
6 Kritik
7 Siehe auch
8 Literatur
9 Weblinks
10 Einzelnachweise
Protokoll und Kommuniqué |
Das Treffen in Potsdam fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, die Presse war nicht zugelassen. Am 1. August 1945 wurde das Abschlussprotokoll der Konferenz (Protocol of the Proceedings of the Berlin Conference[4]) unterzeichnet. Dieses Dokument, in dem die Beschlüsse, Vereinbarungen und Absichtserklärungen der drei Siegermächte festgehalten sind, wird als „Potsdamer Abkommen“ bezeichnet. Eine um acht Abschnitte gekürzte Fassung wurde unmittelbar nach Ende der Verhandlungen veröffentlicht. Diese Kurzfassung wurde unter dem Titel „Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin“ im „Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland“ veröffentlicht. Die Langfassung wurde am 24. März 1947 vom US-Außenministerium publiziert.[5]
Rechtlicher Charakter |
In rechtlicher Hinsicht handelt es sich dabei nicht um einen internationalen Vertrag, sondern um ein gemeinsames Konferenzkommuniqué, eine gemeinsame Willens- beziehungsweise Absichtserklärung.[6][7] Dieses Konferenzkommuniqué wird in der Regel, sachlich und rechtlich ungenau, als Abkommen von Potsdam bezeichnet.
Geschichtliche Bedeutung |
Seine inhaltliche Bindung und Reichweite war umstritten, da zwischen politischer und rechtlicher Wirkung deutlich zu unterscheiden ist.[8][9]
Inhalt des Protokolls |
Das von den Verhandlungspartnern unterzeichnete Protokoll enthält u. a. folgende Punkte der Konferenz, die auch als so genannte Potsdamer Beschlüsse bekannt sind:
- Ablauf der Konferenz
- Errichtung eines „Rates der Außenminister“
- Grundsätze für die Besetzung Deutschlands
- Bestimmungen über die Reparationen
- Betrachtung Deutschlands als wirtschaftliche Einheit
- Verfügung über die deutsche Kriegs- und Handelsmarine
- Behandlung von Kriegsverbrechern
- Regelungen über territoriale Fragen bzgl. der deutschen Ostgebiete (bis zur endgültigen Friedensregelung unter einstweiliger polnischer Verwaltung), Österreich und Polen
- Abschluss von Friedensverträgen
- territoriale Treuhänderschaft (frühere italienische Kolonialgebiete)
- „ordnungsmäßige Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland“ (Kap. XIII)
Folgen |
Rat der Außenminister |
Zur Vorbereitung einer internationalen Nachkriegsordnung und von Friedensverträgen richteten die drei Mächte einen Rat der Außenminister ein, zu dem auch Frankreich und National-China einen Vertreter entsenden sollten. Dieser Rat traf sich bis 1949 achtmal zu Konferenzen. Nur einmal, in London 1945, waren alle fünf Großmächte vertreten. Die Sowjetunion protestierte jedoch gegen die Beteiligung von China und Frankreich an der Friedensregelung für Osteuropa. Die Aufgabe, auf diesen Außenministerkonferenzen eine Einigung über die Nachkriegsordnung zu erzielen, wurde nur in geringem Umfang erfüllt, weil die Planungen der Großmächte unvereinbar waren. Die sowjetische Politik in Ostasien, im Nahen Osten und in Osteuropa lief den Interessen der USA zuwider, was schließlich zu einer Konfrontation des westlichen und östlichen Lagers führte.
Politische Grundsätze |
Die politischen Grundsätze für die Besetzung des Deutschen Reiches stellten praktisch eine Arbeitsanweisung für den Alliierten Kontrollrat in Berlin dar. Sie werden auch als die „4 D“ bezeichnet:
Denazifizierung (auch: Entnazifizierung)
- Die Entnazifizierung war eine Initiative der Alliierten nach ihrem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland ab Mitte 1945. Bekräftigt durch das Potsdamer Abkommen sollte eine „Säuberung“ der deutschen und österreichischen Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie, Jurisdiktion und Politik von allen Einflüssen des Nationalsozialismus erfolgen.
- Für Deutschland verabschiedete der Kontrollrat in Berlin ab Januar 1946 eine Vielzahl an Entnazifizierungsdirektiven, mittels derer man bestimmte Personengruppen definierte und anschließend einer gerichtlichen Untersuchung zuführte.
Demilitarisierung (auch: Entmilitarisierung)
- Die Demilitarisierung beziehungsweise Entmilitarisierung hatte den vollständigen Abbau der Armee und die Abschaffung jeglicher deutschen Rüstungsindustrie zum Ziel, damit von Deutschland nie wieder die Gefahr eines militärischen Angriffs ausgehen konnte.[10]
- Aufgrund des Kalten Krieges und der damit verbundenen gegenseitigen Drohungen sahen sich aber beide deutsche Staaten im Rahmen ihrer Bündnisse zur Wiederbewaffnung gezwungen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde dazu die Rüstungsproduktion wieder aufgenommen und die Bundeswehr und in der DDR die Nationale Volksarmee (NVA) gegründet.
- Siehe auch: Konversion (Umnutzung von Militäranlagen)
Demokratisierung
- Die endgültige Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage sollte vorbereitet sowie in ganz Deutschland alle demokratischen Parteien und Gewerkschaften erlaubt und gefördert werden.
- Unter Berücksichtigung militärischer Sicherheit wurde die Freiheit der Rede, der Presse und der Religion gewährt.
- Das Erziehungswesen in Deutschland sollte so überwacht werden, dass eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht werde.
Dezentralisierung
- Ziel der Dezentralisierung war die Übertragung von politischen Aufgaben, Zuständigkeiten, Ressourcen und Entscheidungsbefugnissen an mittlere (z. B. Provinzen, Distrikte, Regionen) und untere Ebenen (Städte, Gemeinden, Dörfer). In der Wirtschaft sollte die exzessive Konzentration von Macht wie beispielsweise in Kartellen, Syndikaten, Großunternehmen und anderen monopolistischen Wirtschaftsunternehmen beseitigt werden.[11]
- Siehe auch: Politische Ebene, Politisches System Deutschlands
Territoriale Entscheidungen |
Nord-Ostpreußen (heute „Oblast Kaliningrad“) |
Das 1946 als Verwaltungsgebiet geschaffene, heute zu Nordwestrussland gehörende Gebiet Kaliningrad wurde als nördliches Ostpreußen mit der Provinzhauptstadt Königsberg durch die Sowjetunion erobert und bereits mehrere Monate vor der Potsdamer Konferenz durch eine Verfassungsnovelle in ihr Staatsgebiet integriert; nachdem alle deutschen Ortsnamen russifiziert waren, wurde das Gebiet durch Verfassungsgesetz vom 25. Februar 1947 als Verwaltungseinheit (Oblast) unter dem Namen „Autonomer Oblast Kaliningrad“[12] in die RSFSR eingegliedert.
Im Potsdamer Abkommen, Artikel VI über die „Stadt Königsberg und das anliegende Gebiet“, heißt es, dass die „[…] Westgrenze der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, [die] an die Ostsee grenzt, von einem Punkt an der östlichen Küste der Danziger Bucht in östlicher Richtung nördlich von Braunsberg-Goldap und von da zu dem Schnittpunkt der Grenzen Litauens, der Polnischen Republik und Ostpreußens verlaufen soll.“[13] Auf die Forderung der Sowjetunion hin, ihr diesen nördlichen Teil Ostpreußens zu übergeben, erklärten der Präsident der USA Truman und der britische Premierminister Attlee im Konferenzkommuniqué, Abschnitt VI, den Vorschlag der Konferenz bei der bevorstehenden Friedenskonferenz zu unterstützen (Abschnitt VI).
Polen und die vorläufige Oder-Neiße-Grenze |
Auch die Frage, welches Territorium Polen zugestanden werden sollte, wurde auf der Konferenz von Potsdam verhandelt. Inzwischen war eine neue polnische Regierung aus dem von Stalin protegierten Lubliner Komitee hervorgegangen, im Juni 1945 durch einige Exilpolen ergänzt und deswegen von den Westmächten noch vor der Potsdamer Konferenz anerkannt worden. Dass Polen ein Satellitenstaat Moskaus sein würde und die Legitimität seiner Regierung gering war, war offensichtlich. In formelhaften Erklärungen wurden freie und demokratische Wahlen zugesichert, alle Exilpolen sollten bald zurückkehren können.
Lausitzer Neiße oder Glatzer Neiße |
Konfrontiert mit vollendeten Tatsachen, akzeptierten auch die beiden westlichen alliierten Siegermächte die polnische Verwaltung dieser Gebiete für die Zeit bis zu einer friedensvertraglichen Regelung. Strittig war zunächst auch noch, ob die Grenzziehung entlang der Lausitzer Neiße oder Glatzer Neiße erfolgen sollte. Es wird kolportiert, dass den amerikanischen und britischen Verhandlungsdelegationen die Existenz der Lausitzer Neiße anfangs nicht bewusst gewesen sei. Von diesen wurde kurzzeitig statt der Oder-Neiße-Linie noch die 50 Kilometer weiter östliche Oder-Bober-Linie (besser: Oder-Bober-Queis-Linie) als deutsche Ostgrenze ins Spiel gebracht, die Sowjetunion verweigerte aber die Zustimmung dazu. Die polnischen Kommunisten hatten, nachdem dieser Plan bekannt geworden war, als erstes mit besonderer Brutalität die einheimischen Deutschen „präventiv“ noch vor der Konferenz von diesem Gebiet zwischen Bober-Queis und westlicher Neiße vertrieben. Eine solche Regelung hätte immerhin die östliche Lausitz komplett bei Deutschland belassen und die Teilung von Städten wie Görlitz und Guben vermieden. Letztlich einigte man sich auf die Lausitzer Neiße. Im Schlussdokument heißt es: „Die Häupter der drei Regierungen stimmen darin überein, daß bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früher deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teiles Ostpreußens, der nicht unter die Verwaltung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Übereinstimmung mit den auf dieser Konferenz erzielten Vereinbarungen gestellt wird und einschließlich des Gebietes der früheren Freien Stadt Danzig, unter die Verwaltung des polnischen Staates kommen und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland betrachtet werden sollen.“[13]
Stettin |
Nachdem die Potsdamer Konferenz den Grenzverlauf über die Lausitzer Neiße zugestimmt hatte, sollte zumindest die Oder als Grenzfluss genommen werden. Die Sowjetunion hatte bereits am 5. Juli 1945 die westlich der Oder liegende Stadt Stettin und die darin noch lebenden etwa 84.000 Deutschen der polnischen Verwaltung unterstellt. Der Besitz von Stettin und der Odermündung in das Stettiner Haff stellte eine wirtschaftliche Forderung Polens nach der Besitznahme des Oberschlesischen Industriegebiets dar.
Auf der Konferenz wurde keine konkrete Festlegung des nördlichsten Grenzabschnittes bei und seewärts von Stettin getroffen. Allerdings waren sich die Westalliierten und die Sowjetunion politisch insoweit darin einig, als der Hafen von Stettin dem polnischen Territorium zugeschlagen werden sollte.[14] Grundsätzlich bestand Konsens zwischen den Siegermächten und „ausweislich des (Cohen-)Protokolls der Sitzung vom 31. Juli 1945 […] kein Zweifel […] über die Zuweisung Stettins zum polnischen Verwaltungsgebiet“.[15]
Am 21. September 1945 wurde eine sowjetisch-polnische Vereinbarung unterzeichnet, „durch die [es] zu einer räumlichen Präzisierung der Abgrenzung zwischen sowjetischem Besatzungsgebiet einerseits und polnischem Verwaltungsgebiet andererseits [kam], welche die Grenzlinie nunmehr, den gesamten sog. ‚Stettiner Zipfel‘ umfassend, weit nach Westen vorschob.“[16] Dieses Abkommen zur einseitigen „formellen“ Fixierung der Grenze im Abschnitt Swinemünde–Greifenhagen „auf Kosten Deutschlands“ erfolgte auf eine conditio sine qua non, als die Ostgrenze Polens auf die Curzon-Linie und damit erheblich nach Westen zurückgeführt wurde. Bis heute ist es neben weiteren Dokumenten des Jahres 1945 „für den tatsächlichen Grenzverlauf […] grundlegend“,[17] der schließlich in den später abgeschlossenen deutsch-polnischen Verträgen (1950, 1970 und 1990) zur Bestimmung der Grenze zwischen Deutschland und Polen herangezogen wurde.
Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen |
Zusammen mit den seit 1944 vor der vordringenden Roten Armee westwärts Geflohenen verloren mehr als zwölf Millionen Menschen ihre Heimat infolge Flucht und Vertreibung durch polnische Miliz und örtlich gebildete polnische Verwaltungsbehörden. Bereits ab Sommer 1941 forderten die polnische und die tschechoslowakische Exilregierung in London Grenzkorrekturen nach dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland im Rahmen völkerrechtlicher Normen und sicherten durch Unterzeichnung der Atlantik-Charta zu, darüber hinaus keine Gebietsansprüche geltend machen zu wollen. Unter Missachtung der Atlantik-Charta wurde von den drei auf der Potsdamer Konferenz vertretenen Siegermächten dagegen ausdrücklich die Zwangsaussiedlung der deutschen Bevölkerung aus traditionell deutsch besiedelten Gebieten „genehmigt“. Eine Option, sich für die Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, wurde den ansässigen Deutschen, anders als nach dem Vertrag von Versailles 1920 oder beim Bevölkerungsaustausch in Südtirol von 1939 bis 1943, nicht eingeräumt.[18] Der bekannte XIII. Artikel spricht in diesem Zusammenhang allerdings nur von „Überführung“ von Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn, also nicht aus dem deutschen Reichsgebiet.
Tatsächlich umfassten die betroffenen deutschen Siedlungsgebiete:
- im heutigen Polen das südliche Ostpreußen mit den Regionen Masuren und dem Oberland; Hinterpommern mit Stettin und dem Oderdelta; Neumark Brandenburg, Grenzmark Posen-Westpreußen, Niederschlesien und Westoberschlesien sowie Gebiete, die seit 1919 dem Deutschen Reich abgesprochen wurden, in denen aber nach wie vor viele Deutsche lebten: Provinz Posen, Ostoberschlesien, Kulmerland und außerdem Pommerellen, aus dem die Freie Stadt Danzig und der Polnische Korridor entstanden war;
- in der Tschechoslowakei das Sudetenland sowie Prag und die deutschen Sprachinseln in Zentral-Böhmen und -Mähren;
- in Ungarn zahlreiche Städte und deutsche Streusiedlungen.
Die Überführung sollte „in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen“. Gleichzeitig werden die tschechoslowakische und polnische provisorische Regierung sowie der Alliierte Kontrollrat in Ungarn ersucht, weitere Ausweisungen einzustellen, bis die Westalliierten die Aufnahmekapazität im Westen festgestellt hätten.
Zum Zeitpunkt der deutschen Kapitulation hatte in den vorgesehenen Vertreibungsgebieten noch schätzungsweise die Hälfte von vormals 15 Millionen Deutschen gelebt. Flucht und Vertreibung setzten bereits vor Abschluss des Potsdamer Abkommens ein, bereits im Winter 1944/45 kamen Tausende dabei um. An Todesopfern werden heute etwa 600.000 Deutsche und Deutschstämmige geschätzt, die in den Jahren 1944 bis 1947 bei Flucht oder Vertreibung starben.[19] Privates Eigentum der Ost- und Sudetendeutschen und Eigentum deutscher Kirchen in diesen Gebieten wurde von Polen und der Tschechoslowakei als Reparationen konfisziert. Bis Ende der 1950er-Jahre migrierten noch etwa vier Millionen deutsche oder deutschstämmige Aussiedler als mittelbare Folge dieser Vertreibungen in die im Aufbau befindlichen beiden deutschen Staaten.
Die Verantwortlichen waren sich bewusst, dass einer künftigen friedensvertraglichen Regelung kaum Spielraum gegeben war, als den geschaffenen Status anzuerkennen. Die Westalliierten traten dem sowjetischen Machtstreben zu Beginn nicht entschlossen entgegen, was später beispielsweise auch die Berlin-Blockade ermöglichte.[20]
Neuordnung der politischen Verhältnisse |
Anders als beim Vertrag von Versailles war der Entscheidungsspielraum recht eng. Auch stellten die Potsdamer Beschlüsse keinen Friedensvertrag im völkerrechtlichen Sinne dar. Das Abkommen der drei Regierungschefs war eine schnelle Übereinkunft mit weitreichenden Folgen der heterogenen Anti-Hitler-Koalition durch das Bestreben zur Schaffung vollendeter Tatsachen.
Kritik |
Die angebliche Legitimierung der zu dieser Zeit andauernden Vertreibungen der deutschen Zivilbevölkerung aus den Ostgebieten wurde später scharf kritisiert. Auch war der Westen verärgert über die Plünderungen, den Abtransport von Gütern, die Massenverhaftungen und schließlich die sexuellen Übergriffe sowjetischer Truppen,[21] denen in dieser Zeit etwa 240.000 Frauen zum Opfer fielen.[22]Rudolf Augstein schrieb über die Potsdamer Konferenz:[23]
„Das Gespenstische an der Potsdamer Konferenz lag darin, daß hier ein Kriegsverbrechergericht von Siegern beschlossen wurde, die nach den Maßstäben des späteren Nürnberger Prozesses allesamt hätten hängen müssen. Stalin zumindest für Katyn, wenn nicht überhaupt. Truman für die völlig überflüssige Bombardierung von Nagasaki, wenn nicht schon für Hiroshima, und Churchill zumindest als Oberbomber von Dresden, zu einem Zeitpunkt, als Deutschland schon erledigt war. Alle drei hatten sogenannte ‚Bevölkerungsumsiedlungen‘ verrückten Ausmaßes beschlossen, alle drei wussten, wie verbrecherisch diese vor sich gingen.“
Die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und das alliierte Kontrollverfahren wurden bestätigt und konkretisiert. US-Außenminister Byrnes schlug dies (die Teilung Deutschlands) am Nachmittag des 31. Juli 1945 vor. Bei der territorialen Gestaltung der Besatzungszonen hielt man sich an Vorschläge der European Advisory Commission (EAC), allerdings versprach man Frankreich eine eigene Zone, die aus Teilen der britischen und der amerikanischen Zone gebildet wurde.
Äußerst folgenreich war der Beschluss auf der Potsdamer Konferenz, Deutschland als Reparationsgebiet zu teilen, das heißt jeder Besatzungsmacht freizustellen, in ihrer jeweiligen Zone ihre eigenen Interessen an Reparationszahlungen durchzusetzen. Diese Entscheidung wurde getroffen, weil die Westmächte, die eine moderate Reparationspolitik verfolgten, sich mit Stalin, der eine sehr harte Linie vertrat, in Reparationsfragen nicht einigen konnten.
Die Kompromissformel wurde letzten Endes aufgesetzt, um die Konferenz, die bis dahin keine wesentlichen Ergebnisse erbracht hatte, nicht völlig scheitern zu lassen.
Zu dieser Entscheidung schrieb der Historiker Hermann Graml:[24]
„Zwar durften sich Amerikaner und Briten sagen, daß sie mit der Teilung des Reparationsgebiets die Basis für eine rationale Reparationspolitik in den westlichen Besatzungszonen geschaffen hatten, doch konnten sie sich nicht verhehlen, daß die wirtschaftliche Befreiung der Westzonen – darum handelte es sich im Prinzip – zu Lasten der Bewohner der sowjetischen Zone ging, die nun nahezu allein die sowjetischen Reparationsansprüche zu befriedigen hatten und so nach menschlicher Voraussicht einer weitaus brutaleren Ausplünderungs- und Ausbeutungspolitik überantwortet wurden, als sie sonst gewärtigen mußten.“
In der Folge zerbrach die deutsche Wirtschaftseinheit, was auch auf die französische Obstruktion im Alliierten Kontrollrat zurückzuführen war; bald darauf – im Zuge des beginnenden Kalten Krieges – auch die politische.
In Bezug auf den Pazifikkrieg legte die Potsdamer Erklärung vom 26. Juli 1945 die offiziellen amerikanisch-britisch-chinesischen Bedingungen für die Kapitulation des Kaiserreichs Japan fest. Die Potsdamer Erklärung wurde von Präsident Harry S. Truman und Premierminister Winston Churchill im Rahmen der Potsdamer Konferenz formuliert, von Generalissimo Chiang Kai-shek telegrafisch mitunterzeichnet.
Siehe auch |
- Deutschland 1945 bis 1949
- Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland
Literatur |
Wolfgang Benz: Potsdam 1945. Besatzungsherrschaft und Neuaufbau im Vier-Zonen-Deutschland. dtv, München, 2012. ISBN 3-423-04522-1.- Milan Churaň: Potsdam und die Tschechoslowakei. Arbeitsgemeinschaft Sudetendeutscher Lehrer und Erzieher Dinkelsbühl, München 2007, ISBN 978-3-9810491-7-6.
- Fritz Faust: Das Potsdamer Abkommen und seine völkerrechtliche Bedeutung, Metzner (4. [stark erweiterte] Aufl.), Frankfurt am Main/Berlin 1969.
Charles L. Mee: Die Teilung der Beute. Die Potsdamer Konferenz 1945. Fritz Molden, Wien [u. a.] 1977 (Originaltitel: Meeting at Potsdam [Aus d. Amerikan. übertr. von Renata Mettenheimer]), ISBN 3-217-00706-9.
Wenzel Jaksch: Europas Weg nach Potsdam. Schuld und Schicksal im Donauraum. Langen Müller, 1990.
Heiner Timmermann (Hrsg.): Potsdam 1945. Konzept, Taktik, Irrtum? (= Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen Bd. 81; EAO 81). Duncker und Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-08876-X.
Charles L. Mee: Die Teilung der Beute. Die Potsdamer Konferenz 1945. Fritz Molden, Wien 1975 (Originaltitel: Meeting at Potsdam, übersetzt von Renata Mettenheimer), ISBN 3-453-48060-0.
Potsdam Papers. Foreign Relations of the United States – Diplomatic Papers – The Conference of Berlin (The Potsdam Conference) 1945. Two Volumes. Washington, D.C. 1960.
Weblinks |
Wikisource: Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin – Quellen und Volltexte
- Wortlaut des Potsdamer Abkommens bei www.documentarchiv.de
Einzelnachweise |
↑ Für den Wortlaut der Schreiben vgl. Dokumente zur Deutschlandpolitik (DzD) II/1, S. 2213–2218; EUROPA-ARCHIV 1954, S. 6744–6746.
↑ Zit. n. Art. 7 Abs. 1 Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland.
↑ Vgl. Dieter Blumenwitz: Der Vertrag vom 12.9.1990 über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland, NJW 1990, S. 3041, 3047.
↑ Supplement to the AJIL, Official Documents 1945, S. 245 ff.
↑ Deutscher Text beider Dokumente in: Michael Antoni: Das Potsdamer Abkommen, Trauma oder Chance? Geltung, Inhalt und staatsrechtliche Bedeutung, Berlin 1985, ISBN 978-3-87061-287-0, S. 340–353.
↑ Boris Meissner, Die Potsdamer Konferenz. In: Boris Meissner u. a. (Hrsg.): Das Potsdamer Abkommen. 3. Teil: Rückblick nach 50 Jahren. Wien 1996, S. 12 (Völkerrechtliche Abhandlungen, Bd. 4).
↑ Wilfried Fiedler, Die völkerrechtlichen Präzedenzwirkungen des Potsdamer Abkommens für die Entwicklung des allgemeinen Völkerrechts, in: Heiner Timmermann (Hrsg.): Potsdam 1945 – Konzept, Taktik, Irrtum?, Duncker & Humblot, Berlin 1997, S. 297 (Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Bd. 81).
↑ Vgl. J.A. Frowein, Potsdam Agreements on Germany (1945), in: Bernhardt (ed.), Encyclopedia of Public International Law (EPIL), Inst. 4, 1982, S. 141 ff.
↑ J. Hacker, Einführung in die Problematik des Potsdamer Abkommens, in: F. Klein, B. Meissner (Hrsg.): Das Potsdamer Abkommen und die Deutschlandfrage, I. Teil, 1970, S. 13 ff.; ders., Sowjetunion und DDR zum Potsdamer Abkommen, 1968, S. 33 ff.
↑ „Völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für eine Kriegsproduktion benutzt werden kann oder deren Überwachung.“ – „The complete disarmament and demilitarization of Germany and the elimination or control of all German industry that could be used for military production.“ Agreements of the Berlin (Potsdam) Conference, July 17–August 2, 1945.
↑ „At the earliest practicable date, the German economy shall be decentralized for the purpose of eliminating the present excessive concentration of economic power as exemplified in particular by cartels, syndicates, trusts and other monopolistic arrangements.“ Agreements of the Berlin (Potsdam) Conference, July 17–August 2, 1945.
↑ Thomas Schmidt: Die Außenpolitik der baltischen Staaten. Im Spannungsfeld zwischen Ost und West. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, S. 170.
↑ ab Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin („Potsdamer Abkommen“) vom 2. August 1945
↑ Vgl. hierzu Daniel-Erasmus Khan, Die deutschen Staatsgrenzen. Rechtshistorische Grundlagen und offene Rechtsfragen. Mohr Siebeck, Tübingen 2004, Kap. V.II.1.c, S. 323 ff.
↑ So Daniel-Erasmus Khan, Die deutschen Staatsgrenzen. Rechtshistorische Grundlagen und offene Rechtsfragen. Mohr Siebeck, Tübingen 2004, S. 325.
↑ Khan, Die deutschen Staatsgrenzen, Tübingen 2004, Zitat S. 327.
↑ So Khan, Die deutschen Staatsgrenzen, Tübingen 2004, S. 327 mit weiteren Nachweisen.
↑ Georg Dahm, Jost Delbrück und Rüdiger Wolfrum: Völkerrecht, Bd. I/2: Der Staat und andere Völkerrechtssubjekte; Räume unter internationaler Verwaltung. 2. Auflage, de Gruyter, Berlin 2002, ISBN 978-3-11-090695-0, S. 68 (abgerufen über De Gruyter Online).
↑ Deutsches Historisches Museum: Massenflucht 1944/45
↑ Vgl. Jan M. Piskorski, Die Verjagten. Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts, Siedler, München 2013, S. 1947 f.; Michael Sontheimer, Churchills Streichhölzer, in: Annette Großbongardt, Uwe Klußmann, Norbert F. Pötzl: Die Deutschen im Osten Europas. Eroberer, Siedler, Vertriebene. Ein SPIEGEL-Buch, DVA, 2011; Jens Hacker, Sowjetunion und DDR zum Potsdamer Abkommen, Verlag Wissenschaft und Politik, 1968, S. 31.
↑ Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Rußlands. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42304-3, S. 222.
↑ Helke Sander, Barbara Johr (Hg.), BeFreier und Befreite: Krieg, Vergewaltigungen, Kinder, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16305-6.
↑ Rudolf Augstein: Auf die schiefe Ebene zur Republik, Der Spiegel 2/85, S. 30.
↑ Hermann Graml: Die Alliierten und die Teilung Deutschlands. Konflikte und Entscheidungen. 1941–1948. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-596-24310-6, S. 99 ff.