Elastizitätstheorie
Elastizität (altgriechisch ελαστικός .mw-parser-output .Latnfont-family:"Akzidenz Grotesk","Arial","Avant Garde Gothic","Calibri","Futura","Geneva","Gill Sans","Helvetica","Lucida Grande","Lucida Sans Unicode","Lucida Grande","Stone Sans","Tahoma","Trebuchet","Univers","Verdana"elastikos, „anpassungsfähig“) ist die Eigenschaft eines Körpers, unter Krafteinwirkung seine Form zu verändern und bei Wegfall der einwirkenden Kraft in die Ursprungsform zurückzufedern (Beispiel: Sprungfeder). Das Teilgebiet der Physik und Mathematik, das sich mit Verformungen und ihrer Beschreibung in elastischen kontinuierlichen Medien befasst, wird Elastizitätstheorie genannt. Sie bildet neben der Theorie des linear-viskosen Fluids die Basis der klassischen Materialtheorie, auf der andere Theorien für Plastizität und Viskoplastizität aufbauen.
Alle Materialien haben einen mehr oder weniger ausgeprägten elastischen Bereich, selbst Keramik, Wasser oder Luft. Hier kündigen sich die beiden Hauptzweige der Elastizitätstheorie an: Die elastischen Fluide (Flüssigkeiten und Gase) und die elastischen Festkörper. Während erstere auf hydrostatischen Druck elastisch reagieren, vermögen Festkörper auch auf einachsigen Zug/Druck und Scherung elastisch zu antworten. Als Ursache der Elastizität kommen Verzerrungen des Atomgitters (bei Metallen), das Dehnen von Molekülketten (Gummi und Kunststoffe) oder die Änderung des mittleren Atomabstandes (Flüssigkeiten und Gase) in Frage.
Reale Materialien besitzen eine Elastizitätsgrenze, innerhalb derer sie sich elastisch verformen und jenseits derer dissipative Vorgänge wie viskoses oder plastisches Fließen, Kriechen oder Brüche auftreten. Reale Flüssigkeiten, Gase und manche Feststoffe (wie Eisen und Glas) sind bei schnellen, geringfügigen Volumenänderungen (z. B. bei Schallwellen) in guter Näherung elastisch. Die Elastizitätsgrenze kann bei Feststoffen bei langsamen und hinreichend kleinen Verformungen eingehalten werden, die in vielen Anwendungen, insbesondere im technischen Bereich, vorliegen. Richtungsabhängigkeiten des Materials wie die Orthotropie von Holz oder materielle Zwangsbedingungen wie Inkompressibilität kommen in der Elastizität, aber auch bei anderem Materialverhalten vor.
Die Gesetze der Mechanik und Thermodynamik geben einen Rahmen vor, in dem sich reale Körper bewegen. Die mathematischen Gleichungen dieser Gesetze treffen keine Aussagen über die individuellen Eigenschaften der Körper und reichen daher nicht aus, die Bewegungen der Körper eindeutig zu bestimmen. Dazu bedarf es noch konstitutiver Gleichungen, die hier die materialspezifische Antwort des Körpers auf eine äußere Kraft beschreiben, ob es also z. B. wegfließt oder sich nur eindrückt. Mit der mathematischen Formulierung dieser Beziehung in elastischen Körpern beschäftigt sich die Elastizitätstheorie.
Inhaltsverzeichnis
1 Makroskopisches Verhalten
2 Kontinuumsmechanische Theorie
2.1 Cauchy-Elastizität
2.1.1 Bezugssysteminvarianz
2.1.2 Elastische Fluide
2.1.3 Thermodynamische Konsistenz
2.2 Hyperelastizität
2.2.1 Konservativität
2.2.2 Materialmodelle der Hyperelastizität
2.3 Lineare isotrope Hooke’sche Elastizität von Feststoffen
2.3.1 Navier-Cauchy-Gleichungen
2.3.2 Satz von Clapeyron
2.3.3 Prinzip vom Minimum der potentiellen Energie und der Ergänzungsenergie
2.3.4 Satz von Betti
2.3.5 Kompatibilitätsbedingungen
2.3.6 Spannungsfunktionen
3 Mathematische Theorie
4 Siehe auch
5 Literatur
6 Einzelnachweise
Makroskopisches Verhalten |
Makroskopisch lassen sich folgende Eigenschaften an einem elastischen Körper beobachten:
- Bei gegebener Verformung (Fluide: Volumenänderung) haben die Reaktionskräfte (der Druck) unabhängig von der Vorgeschichte immer denselben Wert.
- Das Materialverhalten ist geschwindigkeitsunabhängig. Die Geschwindigkeit, mit der eine Verformung (Fluide: Volumenänderung) stattfindet, hat keinen Einfluss auf den Widerstand (Druck), den der Körper der Verformung entgegensetzt.
- Ist der Ausgangszustand unbelastet, so wird dieser nach jedweder Verformung wieder eingenommen, wenn die Belastungen entfernt werden. Bei elastischen Flüssigkeiten und Gasen ist der Zustand durch das eingenommene Volumen bestimmt, das unter gleichen Bedingungen immer gleich ist.
- Im einachsigen Zugversuch erfolgen Be- und Entlastung stets entlang des gleichen Weges so wie im nebenstehenden Bild. Bei Flüssigkeiten und Gasen entspricht das einem Kompressions- und Expansionsversuch.
- Die aufgewendete Verformungsarbeit (Fluide: Kompressionsarbeit) wird vollständig als Verzerrungsenergie im Körper gespeichert. Das Material ist also konservativ.
Die ersten beiden Merkmale kennzeichnen die Elastizität als eine zeitunabhängige Materialeigenschaft und die ersten vier Merkmale bestimmen die Cauchy-Elastizität. Wenn zusätzlich noch die letzte Eigenschaft vorliegt, die Konservativität, dann ist das Material hyperelastisch.
Bei hinreichend kleinen Verformungen ist die Kraft-Weg-Beziehung bei Feststoffen linear und kann die Elastizität mit Moduln beschrieben werden. Weil die aufzuwendende Kraft und der zurückgelegte Weg bei einer Deformation maßgeblich von den Dimensionen des Körpers abhängen, wird die Kraft auf ihre Wirkfläche und der Weg auf eine geeignete Abmessung des Körpers bezogen. Die bezogene Kraft ist die Spannung und der bezogene Weg die Dehnung. Die Moduln quantifizieren das Verhältnis zwischen den Spannungen und den Dehnungen und sind eine Materialeigenschaft. Der Elastizitätsmodul gilt bei einachsigem Zug, der Schubmodul bei Scherung und der Kompressionsmodul bei allseitigem Zug/Druck. Bei einachsigem Zug tritt nicht nur in Zugrichtung eine Verformung auf, sondern auch quer dazu, was die dimensionslose Querdehnzahl quantifiziert. Die vollständige Beschreibung der isotropen linearen Elastizität benötigt nur zwei der genannten Größen, kubische Anisotropie drei (ein Elastizitätsmodul, ein Schubmodul und eine Querdehnzahl), transversale Isotropie bereits fünf (zwei Elastizitätsmoduln, zwei Querdehnzahlen und einen Schubmodul) und die Orthotropie neun (drei Elastizitätsmoduln, drei Querdehnzahlen und drei Schubmoduln). Maximal werden jedoch 21 Parameter benötigt, um einen realen linear elastischen Stoff zu beschreiben, siehe den Abschnitt #Materialmodelle der Hyperelastizität.
Kontinuumsmechanische Theorie |
Cauchy-Elastizität |
Die im vorigen Kapitel als erstes genannten Eigenschaften bestimmen die Cauchy-Elastizität, bei der der Widerstand gegen Verformung ausschließlich von der gegenwärtigen Verformung, nicht aber von deren Vorgeschichte oder der Verformungsgeschwindigkeit abhängig ist. Bei Cauchy-Elastizität sind Verformungen (innerhalb der Elastizitätsgrenze) reversibel, was bedeutet, dass der Körper durch eine Kraft verformt werden kann, er aber nach Wegnahme der Kraft immer wieder in den ursprünglichen Zustand zurückfedert. Die Spannungen sind eindeutige Funktionen nur der aktuellen Dehnungen und evtl. von Anfang an vorkommenden Eigenspannungen. Bei allgemeiner, anisotroper, linearer Elastizität kann der Zusammenhang zwischen den sechs Spannungen und den sechs Dehnungen mit maximal 36 Proportionalitätskonstanten dargestellt werden.
Bezugssysteminvarianz |
Ein bewegter Beobachter misst immer dasselbe Materialverhalten wie ein ruhender, was sich im Prinzip von der materiellen Objektivität niederschlägt. An der Cauchy-Elastizität können bereits die Bedingungen festgestellt werden, unter denen Materialgleichungen bezugssysteminvariant oder, genauer, Invariant gegenüber einer euklidischen Transformation des Bezugssystems eines Beobachters sind. Materialgleichungen für elastische Fluide sind automatisch bezugssysteminvariant. Bei Feststoffen wird diese Forderung dadurch genüge getan, dass die Materialgleichungen zwischen Spannungen und Dehnungen in der lagrangeschen Fassung aufgestellt werden.
Elastische Fluide |
Fluide unterscheiden sich aus kontinuumsmechanischer Sicht von Feststoffen dadurch, dass sich in ihnen der Spannungszustand bei beliebigen, volumenerhaltenden Verformungen nicht ändert (ihre Symmetriegruppe bilden die unimodularen Tensoren aus der speziellen linearen Gruppe). In elastischen Fluiden wirkt nur eine Spannungskomponente, der Druck, und Schubspannungen, wie sie in viskosen Fluiden oder Feststoffen auftreten können, sind in ihnen ausgeschlossen oder vernachlässigbar klein. Zu den elastischen Fluiden gehören das reibungsfreie reale Gas, das ideale Gas und die ideale Flüssigkeit. Viele Materialgleichungen der elastischen Gase nennen sich Zustandsgleichung, was unterstreicht, dass der Druck in ihnen unter gleichen Bedingungen immer gleich ist und sie somit Cauchy-elastisch sind. Der Druck hängt kinematisch nur von der augenblicklichen Volumendehnung oder Dichte ab. Einen wichtigen Spezialfall stellen die barotropen Fluide dar, in denen die Dichte ausschließlich eine Funktion des Drucks ist. Die so modellierten barotropen, elastischen Fluide sind automatisch isotrop, bezugssysteminvariant und konservativ oder – anders ausgedrückt – hyperelastisch.
Die Bewegungsgleichung der elastischen Fluide sind die Euler’schen Gleichungen der Strömungsmechanik. Ein wichtiger Spezialfall liegt vor, wenn die Flüssigkeit barotrop, die Volumenkraft (u. a. die Schwerkraft) konservativ und das Geschwindigkeitsfeld stationär ist. Dann führt die Integration der Euler-Gleichungen entlang einer Stromlinie auf die Bernoulli’sche Energiegleichung, die technische Rohrströmungen gut beschreibt. Wenn das Geschwindigkeitsfeld zusätzlich rotationsfrei ist, dann liegt eine Potentialströmung vor, in der die Bernoulli’sche Energiegleichung sogar global gilt. Potentialströmungen können mit analytischen Mitteln mathematisch exakt berechnet werden.
Thermodynamische Konsistenz |
Trotzdem die Reaktionskräfte in einem Cauchy-elastischen Material vom zurückgelegten Verformungsweg unbeeinflusst sind, kann bei Feststoffen die auf verschiedenen Verformungswegen (mit gleichem Start- und Endpunkt) geleistete Formänderungsarbeit unterschiedlich groß ausfallen, was in Abwesenheit eines Dissipationsmechanismus im Widerspruch zu thermodynamischen Prinzipien ist. Wegunabhängigkeit der Formänderungsarbeit führt zur thermodynamisch konsistenten Hyperelastizität, die ein Spezialfall der Cauchy-Elastizität ist.
Hyperelastizität |
Hyperelastische Stoffe sind Cauchy-elastisch und zusätzlich konservativ. Die Formänderungsarbeit ist bei Hyperelastizität wegunabhängig und die Spannungen stehen in einer Potenzialbeziehung zu den Dehnungen. Das Potenzial ist bei Feststoffen die Helmholtz’sche freie Energie, aus der sich gemäß der Clausius-Duhem-Ungleichung in isothermen Prozessen die Spannungen durch Ableitung nach den Dehnungen berechnen. Während alle elastischen Fluide automatisch auch hyperelastisch sind, worauf bereits in der Cauchy-Elastizität eingegangen wurde, ist bei den Feststoffen die Hyperelastizität ein echter Spezialfall der Cauchy-Elastizität.
Es kann gezeigt werden, dass hyperelastische Materialien genau dann isotrop und bezugssysteminvariant sind, wenn die Helmholtz’sche freie Energie eine Funktion der Änderung von materiellen Volumen-, Flächen- und Linienelementen bei einer Deformation ist.[1]
Konservativität |
Die Wegunabhängigkeit der Formänderungsarbeit drückt sich dadurch aus, dass die Formänderungsarbeit nur vom Start- und Endpunkt des Verformungsweges, nicht aber von dessen Verlauf abhängt. Im Spezialfall der Übereinstimmung von Start- und Endpunkt ergibt sich: Entlang eines geschlossenen Verformungsweges wird keine Arbeit verrichtet oder Energie verbraucht. Aufgewandte Arbeiten werden vom Körper bis zur Rückkehr zum Ausgangspunkt vollständig zurückgegeben. Die Konservativität folgt hier auch daraus, dass die Verformungsleistung exakt die Rate der Formänderungsenergie ist, aufgewandte Arbeiten also vollständig (dissipationslos) in Formänderungsenergie umgesetzt werden.
Materialmodelle der Hyperelastizität |
Für isotrope Feststoffe liegen eine Reihe von Materialmodellen vor, mit denen sich reale, reversible und große Verformungen in guter Näherung nachbilden lassen. Das einfachste dieser Modelle ist das Hooke’sche Gesetz für lineare Elastizität, dass jedwedes Materialmodell der Hyperelastizität bei kleinen Deformationen in erster Ordnung approximiert. Eine Approximation zweiter Ordnung bei inkompressiblem Material stellt das Mooney-Rivlin-Modell dar. Das Hooke’sche Gesetz ist ungeeignet große Verformungen nachzubilden. Das Neo-Hooke-Modell, das ein Spezialfall des Mooney-Rivlin-Modells ist, verallgemeinert das Hooke’sche Gesetz in geeigneter Weise auf große Deformationen.
Der Elastizitätstensor ergibt sich in der Hyperelastizität aus der zweiten Ableitung der Formänderungsenergie nach den Dehnungen. Weil die Reihenfolge der Ableitungen vertauschbar ist, ist der Elastizitätstensor symmetrisch und sind von den 36 Materialparametern in der linearen Cauchy-Elastizität nur 21 in der Hyperelastizität unabhängig. Ein linear-hyperelastisches Material kann daher mit maximal 21 Parametern beschrieben werden.
Lineare isotrope Hooke’sche Elastizität von Feststoffen |
In diesem Abschnitt wird neben der linearen Elastizität auch kinematische Linearität vorausgesetzt, was bei kleinen Verformungen von Festkörpern vorliegt.
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Die lokale Impulsbilanz ist eine Gleichung in der nur die Spannungen, die Beschleunigung und die Schwerkraft vorkommen. Nun können die Spannungen über das Hooke’sche Gesetz mit den Dehnungen und diese wiederum mit den Verschiebungen ausgedrückt werden, was auf die Navier-Cauchy-Gleichungen führt. Diese enthalten Wellengleichungen als Lösung für longitudinale, primäre weil schneller laufende P-Wellen und transversale, sekundäre weil langsamer laufende S-Wellen. Im Fall einer harmonischen Schwerkraft ist das Verschiebungsfeld eine Biharmonische Funktion.
Satz von Clapeyron |
Wenn σdisplaystyle boldsymbol sigma ein Spannungsfeld ist, das die Gleichgewichtsbedingung erfüllt, und u→displaystyle vec u ein Verschiebungsfeld ist, dann ist die Arbeit der auf der Oberfläche a eines Körpers angreifenden Kräfte t→displaystyle vec t und der im Volumen v des Körpers wirkenden Volumenkraft b→displaystyle vec b an den Verschiebungen gleich der Arbeit der Spannungen an den aus den Verschiebungen resultierenden Verzerrungen ε:displaystyle boldsymbol varepsilon ,:
- ∫at→⋅u→da+∫vb→⋅u→dv=∫vσ:εdv.displaystyle int _avec tcdot vec u,mathrm d a+int _vvec bcdot vec u,mathrm d v=int _vboldsymbol sigma :boldsymbol varepsilon ,mathrm d v,.
Dieser Satz setzt hinreichende Glattheit und Stetigkeit der Felder voraus.[2] In einem linear elastischen Körper ist das Produkt aus den Spannungen und den Dehnungen die halbe Formänderungsarbeit. Sind die äußeren Kräfte konservativ, dann folgt das
Prinzip vom Minimum der potentiellen Energie und der Ergänzungsenergie |
Das Prinzip vom Minimum der potentiellen Energie besagt, dass von allen Verschiebungsfeldern, die bestimmte Randbedingungen in einem von konservativen äußeren Kräften belasteten, elastischen Festkörper erfüllen, diejenigen Verschiebungen, die die Gleichgewichtsbedingungen erfüllen, die potentielle Energie minimieren. Die potentielle Energie ist die Summe aus den Arbeiten der konservativen, äußeren Kräfte und der Formänderungsenergie.
Das Prinzip vom Minimum der Ergänzungsenergie besagt, dass in einem elastischen Festkörper von allen Spannungszuständen, die die Randbedingungen erfüllen, derjenige Zustand, der die Gleichgewichtsbedingung erfüllt, die Ergänzungsenergie minimiert. Die spezifische Ergänzungsenergie Uc und die spezifische Formänderungsenergie U stehen im Zusammenhang
- Uc=σ:ε−U.displaystyle U^c=boldsymbol sigma :boldsymbol varepsilon -U,.
Satz von Betti |
Wird ein linear hyperelastischer Körper äußeren Kräften ausgesetzt, ergibt sich daraus eine die Formänderungsenergie minimierende Deformation. Das System aus Spannungen, Dehnungen und Verschiebungen ist ein elastischer Zustand (EZ) des Körpers, der zum angreifenden Kraftsystem gehört. Liegt ein zweites Kraftsystem vor, das einen zweiten EZ hervorruft, dann gilt der Satz von Betti: Die Arbeit des ersten Kraftsystems an den Verschiebungen des zweiten EZ ist gleich der Arbeit des zweiten Kraftsystems an den Verschiebungen des ersten EZ. Diese reziproken Arbeiten der äußeren Kräfte entsprechen reziproken Formänderungsarbeiten: Die Arbeit der Spannungen des ersten EZ an den Dehnungen des zweiten EZ ist gleich der Arbeit der Spannungen des zweiten EZ an den Dehnungen des ersten EZ. Der Satz von Betti ist eine Grundlage der Randelementmethode.
Kompatibilitätsbedingungen |
Bei der Bewegung eines Körpers durch den Raum treten in den für die Kontinuumsmechanik interessanten Fällen Verformungen auf, die sich durch die Verzerrungen quantifizieren lassen. Von den Verzerrungen gibt es im Allgemeinen dreidimensionalen Fall sechs Komponenten. Sollen aus ihnen die drei Komponenten der Bewegung in den drei Raumrichtungen rekonstruiert werden, ist klar, dass die Verzerrungen nicht voneinander unabhängig sein können.
Die Rekonstruktion der Verschiebungen aus den Verzerrungsfeldern kann genau dann gelingen, wenn die Verzerrungen die für sie formulierten Kompatibilitätsbedingungen einhalten. In dem die Verzerrungen im linear elastischen Material mit den Spannungen ausgedrückt werden, entstehen Kompatibilitätsbedingungen für die Spannungen. In der linearen Elastizität sind die Kompatibilitätsbedingungen mit vertretbarem Aufwand erfüllbar und eröffnen so die Möglichkeit ein Randwertproblem mit Spannungsfunktionen zu lösen.
Spannungsfunktionen |
Im Gleichgewicht kommen in der lokalen Impulsbilanz nur die Spannungen und die Schwerkraft vor. Hier können die Spannungen als primäre Unbekannte gewählt und mit Spannungsfunktionen ausgedrückt werden, die die Gleichgewichtsbedingungen automatisch einhalten. So reduziert sich die Lösung eines Randwertproblems auf das Auffinden von Spannungsfunktionen, die die vorliegenden Randbedingungen und die Kompatibilitätsbedingungen für die Spannungen erfüllen. Letztere Bedingungen stellen sicher, dass sich aus den Spannungen die Verschiebungen ableiten lassen. Besonders gut untersucht ist der ebene Fall mit der Airy’schen Spannungsfunktion, mit deren Hilfe heute analytische Lösungen vieler Randwertaufgaben in der Ebene vorliegen.
Mathematische Theorie |
Ein reales Material deformiert sich unter Krafteinwirkung so, dass die Formänderungsenergie minimiert wird. Die mathematische Elastizitätstheorie untersucht unter anderem die Frage, unter welchen Bedingungen im mathematischen Modell eine die Formänderungsenergie minimierende Deformation existiert. Eine in diesem Zusammenhang wichtige und plausible Forderung an die Formänderungsenergie ist, dass sie bei unendlich großer Deformation gegen unendlich strebt, die Formänderungsenergie also eine koerzitive Funktion der Deformation ist.
Eine die Formänderungsenergie minimierende Deformation existiert gewiss, wenn die Formänderungsenergie eine koerzitive und konvexe Funktion der Deformation ist. Wenn die Formänderungsenergie auch über alle Grenzen wächst, wenn der Körper auf null Volumen zusammengedrückt wird, was plausibel ist, dann kann sie nicht konvex sein. Daher ist Konvexität eine unhaltbare Forderung an die Formänderungsenergie.
Die Polykonvexität nach John M. Ball[3] und Koerzitivität der Formänderungsenergie garantieren die Existenz einer die Formänderungsenergie minimierenden Deformation. Für isotrope Hyperelastizität liegen eine Reihe von Formänderungsenergiefunktionen vor, die polykonvex und koerzitiv sind.[4] Für den Fall anisotroper Hyperelastizität stellte J. M. Ball die Frage:[5] „Are there ways of verifying polyconvexity […] for a useful class of anisotropic stored-energy functions?“ (zu Deutsch: „Gibt es Wege die Polykonvexität […] für eine nützliche Klasse von anisotropen Formänderungsenergiefunktionen nachzuweisen?“) Die Suche nach der Antwort auf diese Frage ist noch im einundzwanzigsten Jahrhundert Gegenstand reger Forschungsaktiviät.
Siehe auch |
- Hypo-Elastizität
- Festigkeitslehre
Literatur |
- H. Altenbach: Kontinuumsmechanik. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-24118-5.
- M. Bestehorn: Hydrodynamik und Strukturbildung. Springer, 2006, ISBN 978-3-540-33796-6.
- P. G. Ciarlet: Mathematical Elasticity - Volume I: Three-Dimensional Elasticity. North-Holland, 1988, ISBN 0-444-70259-8.
- P. Haupt: Continuum Mechanics and Theory of Materials. Springer, 2000, ISBN 3-540-66114-X.
- G. A. Holzapfel: Nonlinear Solid Mechanics: A Continuum Approach for Engineering. Wiley, 2000, ISBN 978-0-471-82319-3.
- J. E. Marsden und J. R. Hughes: Mathematical Foundations of Elasticity. Prentice Hall, 1983, ISBN 978-0-486-67865-8.
- Paul Newton, Philip Holmes (Hrsg.): Geometry, Mechanics and Dynamics. Springer, 2002, ISBN 978-0-387-95518-6.
- M. Silhavy: The Mechanics and Thermodynamics of Continuous Media. Springer, 1997, ISBN 978-3-540-58378-3.
- M. E. Gurtin: The Linear Theory of Elasticity. In: S. Flügge (Hrsg.): Handbuch der Physik. Band VI2/a, Bandherausgeber C. Truesdell. Springer, 1972, ISBN 3-540-05535-5.
Einzelnachweise |
↑ P. G. Ciarlet (1988), Theorem 4.4-1, siehe auch Strecktensor#Hauptinvarianten des rechten Cauchy-Green Tensors.
↑ M.E. Gurtin (1972), S. 60, Martin H. Sadd: Elasticity - Theory, applications and numerics. Elsevier Butterworth-Heinemann, 2005, ISBN 0-12-605811-3, S. 110.
↑ J. M. Ball: Convexity conditions and existence theorems in non-linear elasticity. In: Archive for Rational Mechanics and Analysis, 63, 1977, S. 337–403 und
J. M. Ball: Constitutive inequalities and existence theorems in nonlinear elasto-statics. In: R. J. Knops (Hrsg.): Herriot Watt Symposion: Nonlinear Analysis and Mechanics, Band 1. Pitman, London 1977, S. 187–238, ISBN 0-273-01128-6; ISBN 0-273-08461-5.
↑ S. Hartmann und P. Neff: Polyconvexity of generalized polynomial type hyperelastic strain energy functions for near incompressibility. In: International Journal of Solids and Structures 40 (2003), S. 2767–2791.
↑ J. M. Ball: Some open problems in elasticity. In: P. Newton, P. Holmes (2002), S. 3–59.