Österreichisch-Schlesien
Österreichisch-Schlesien, offizielle Bezeichnung Herzogtum Ober- und Niederschlesien, war ein inkorporierter Teil der Länder der Böhmischen Krone und damit der Habsburgermonarchie. Es verblieb Österreich nach der Teilung Schlesiens, dessen Großteil infolge des Ersten Schlesischen Kriegs 1742 gegen Maria Theresia an Preußen fiel. Von 1850 bis 1918 war es Kronland des Kaisertums Österreich bzw. nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich von 1867 der österreichischen Reichshälfte von Österreich-Ungarn. 1918 wurde Österreichisch-Schlesien großteils Bestandteil der neu gegründeten Tschechoslowakei. Ein kleinerer Teil wurde Polen zugesprochen.
Inhaltsverzeichnis
1 Geografie
2 Geschichte
2.1 Mittelalter
2.2 Neuzeit
2.3 Kronland Schlesien
2.4 Teil der Tschechoslowakei bzw. Polens
3 Bevölkerung
4 Infrastruktur
5 Siehe auch
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Geografie |
Die Landschaft ist geprägt von den Höhenzügen Gesenke (Altvater, 1490 m) und Beskiden (Lysá hora, Kahlberg, 1320 m), die Oder und ihr Nebenfluss Oppa sind die wichtigsten Flüsse. Das Gebiet des ehemaligen Österreichisch-Schlesien liegt heute zum größten Teil im Nordosten der Tschechischen Republik, lediglich der östlichste Teil zwischen den Städten Teschen (an der Olsa) und Bielitz gehört heute zur polnischen Woiwodschaft Schlesien.
Es gliederte sich in einen westlichen und einen östlichen Teil, getrennt durch den nördlichen Bereich der mährischen Bezirkshauptmannschaft Mistek. Nördlicher und westlicher Nachbar war die preußische Provinz Schlesien, der östliche Landesteil grenzte an Galizien und Ungarn. Die Flächengröße betrug 5.147 km². Verwaltungszentrum von Österreichisch-Schlesien war die Stadt Troppau.
Geschichte |
Mittelalter |
Die zahlreichen deutschen Ortsnamen in Österreichisch-Schlesien zeugen davon, dass die meisten Städte und Dörfer von deutschen Siedlern gegründet wurden. Dieser Prozess begann mit dem Piastenherzog Heinrich I., der zu Beginn des 13. Jahrhunderts Bergleute, Handwerker, Bauern und Händler aus fränkischen, thüringischen und obersächsischen Gebieten anwarb. Den Städten wurde zumeist das Magdeburger Stadtrecht verliehen.
Bis zur zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bildete das Gebiet um Troppau die Nordprovinz der Markgrafschaft Mähren, danach entstanden unter König Ottokar II. und seinen Nachkommen die böhmischen Herzogtümer Troppau, Jägerndorf und Leobschütz, die ab 1320 zu den oberschlesischen Herzogtümern gezählt wurden.
Neuzeit |
Ab 1526 übernahmen die Habsburger in ihrer Eigenschaft als Könige von Böhmen die Herrschaft über die schlesischen Herzogtümer.
Nach dem Sieg Preußens über Österreich im Ersten Schlesischen Krieg wurde der größte Teil Schlesiens durch den Vorfrieden von Breslau 1742 preußisch, nur das Herzogtum Teschen und die südlichen Teile der Herzogtümer Jägerndorf und Troppau sowie des Fürstentums Neisse blieben bei Österreich und wurden zum Herzogtum Schlesien erhoben; alle wichtigen Entscheidungen fielen am kaiserlichen Hof in Wien.
Kronland Schlesien |
In der Folge der Märzrevolution 1848 wurde mit dem Schlesischen Konvent ein Parlament geschaffen. Mit der Reichsverfassung des Kaisertums Österreich von 1849 erhielt das Herzogtum den Status eines Kronlandes. Der Spielraum für eigenständige Entscheidungen blieb aber gering, da anfänglichem Föderalismus bald zentralistische Bestrebungen der k. k. Regierungen in Wien folgten: Industrielle und überregional tätige Handels- und Gewerbetreibende verlangten vom Staat einheitliche Regeln für ein möglichst großes Gebiet.
Mit der Reichsverfassung von 1861 erhielt Österreichisch-Schlesien wie die anderen Kronländer eine Landesordnung, der zufolge der Schlesische Landtag (seine Gesetze wurden im Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Herzogthum Ober- und Nieder-Schlesien[1] publiziert) und ein Landesausschuss als dessen Exekutivkomitee gebildet wurden.[2] Der vom Kaiser aus der Mitte der Mitglieder ernannte Vorsitzende von Landtag und Landesausschuss wurde als Landeshauptmann bezeichnet. Diesen autonomen Landesorganen stand der Statthalter als Vertreter von Kaiser und Zentralregierung gegenüber. In Schlesien trug der Statthalter (wie in nur vier anderen Kronländern) den Titel Landespräsident, sein Amt wurde als Landesregierung bezeichnet. In der 1867 gebildeten Doppelmonarchie Österreich-Ungarn war Schlesien Teil Cisleithaniens, der österreichischen Reichshälfte. Es entsandte bzw. wählte später Abgeordnete zum Reichsrat in Wien.
Eine bedeutende Familie in der Region war das Adelsgeschlecht Widmann-Sedlnitzky, die einen erblichen Sitz im Herrenhaus, dem Oberhaus des österreichischen Reichsrates, innehatten.
Teil der Tschechoslowakei bzw. Polens |
Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns am Ende des Ersten Weltkrieges konnte deutsch besiedeltes Gebiet nicht an Deutschösterreich gelangen (und mit ihm, wie geplant, der deutschen Republik beitreten). Im Gesetz- und Verordnungsblatt des Herzogtums wurden vom 22. November bis zum 3. Dezember 1918 gefasste Beschlüsse der in Troppau tagenden Landesregierung für das Sudetenland veröffentlicht. Die definitive Einrichtung der Provinz Sudetenland, die die deutsch besiedelten Teile Österreichisch-Schlesiens einbezogen hätte, wurde von tschechoslowakischen Truppen zum Jahreswechsel 1918/19 durch Besetzung des Gebietes verhindert. Das Land wurde an die Tschechoslowakei angeschlossen; der östliche Landesteil um Bielitz kam zu Polen und bildete dort den Grundstock der Woiwodschaft Schlesien.
Der tschechoslowakische Teil blieb bis 1928 eine eigenständige Verwaltungseinheit (země Slezsko), dann wurde er mit Mähren zum Land Mähren-Schlesien (země Moravskoslezská) vereinigt.
Als Folge des Münchner Abkommens wurde das tschechische Gebiet Schlesiens überwiegend dem Deutschen Reich angegliedert und gehörte von 1939 bis 1945 zum Regierungsbezirk Troppau des Reichsgaus Sudetenland. Ein kleiner Streifen entlang der bisherigen polnischen Grenze kam als Olsa-Gebiet zu Polen und wurde in die Woiwodschaft Schlesien (s. o.) einbezogen, mit dieser 1939 vom Deutschen Reich annektiert, bis 1945 wieder die bis 1938 bestehende tschechisch-polnische Grenze wiederhergestellt wurde. Der nicht annektierte tschechische Teil im Raum von Schlesisch Ostrau und Friedeck gehörte ab 1939 zum
Protektorat Böhmen und Mähren. Ab Mai 1945 war das gesamte Gebiet wieder Teil der Tschechoslowakei, ab Sommer 1945 wurden die Deutschen vertrieben
(Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei, Beneš-Dekrete).
Bevölkerung |
Nach der Volkszählung von 1910 zählte Österreichisch-Schlesien 756.949 Einwohner, von denen 43 % Deutsch, 31 % Polnisch und 26 % Tschechisch als Umgangssprache angaben. Der jüdische Bevölkerungsanteil stieg von 0,7 % im Jahr 1857 auf 1,5 % im Jahr 1880.[3]
Ethnie | 1851 | 1880 | 1890 | 1900 | 1910 |
---|---|---|---|---|---|
Tschechen, Mährer, Slowaken | 88.068 (20,08 %) | 126.385 (22,35 %) | 129.814 (21,43 %) | 146.265 (21,49 %) | 180.348 (23,83 %) |
Polen | 138.243 (31,52 %) | 154.887 (27,39 %) | 178.114 (29,41 %) | 220.472 (32,40 %) | 235.224 (31,08 %) |
Deutsche | 209.512 (47,77 %) | 269.338 (47,63 %) | 281.555 (46,49 %) | 296.571 (43,59 %) | 325.523 (43,00 %) |
gesamt | 438.569 | 565.475 | 605.649 | 680.422 | 756.949 |
Religionsverhältnisse 1900:
römisch-katholisch: 576.099 (84,67 %)
evangelisch A.B.: 91.264 (13,41 %)
israelitisch: 11.988 (1,76 %)
Städte mit mehr als 5.000 Einwohnern (1880):
Bielitz, 13.060 (heute PL)
Friedek, 5.912 (heute CZ)
Freudenthal, 7.595 (heute CZ)
Jägerndorf, 11.792 (heute CZ),- Teschen, heute Český Těšín (CZ) und Cieszyn (PL), 13.004
Troppau, 20.563 (heute CZ)
Infrastruktur |
Zu den wichtigsten Industriebereichen zählte der Bergbau (Steinkohle, Braunkohle, Eisenerz), die Verhüttung, Metallbearbeitung und Maschinenbau sowie die Textilindustrie. Daneben wurde Ackerbau und Viehzucht betrieben. Da der Warenexport sehr intensiv betrieben wurde, hatte das Land ein dichtes Verkehrsnetz. Die wichtigste Bahnlinie war die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn Wien–Krakau, die an der Ostgrenze des westlichen Landesteils verlief und mit zahlreichen Nebenstrecken alle größeren Orte erschloss.
Siehe auch |
- Schlesien (Tschechien)
Literatur |
Manfred Alexander: Kleine Geschichte der böhmischen Länder. Reclam, Ditzingen 2008, ISBN 978-3-15-010655-6 Inhaltsverzeichnis (aktuelle Überblicksdarstellung).
Karl Bosl (Hrsg.): Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bände, Hiersemann, Stuttgart 1966–1974, ISBN 978-3-7772-6707-4, ISBN 978-3-7772-7414-0, ISBN 978-3-7772-6827-9, ISBN 978-3-7772-7012-8 Inhaltsverzeichnis (detailliertes Standardwerk auf dem Forschungsstand der 1960er Jahre).
Collegium Carolinum (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bände, bis 2015 drei vollständig, Band 4 in Teillieferungen erschienen, Verlag Oldenbourg, München 1979ff, ISBN 978-3-486-49491-4, ISBN 978-3-486-52551-9, ISBN 978-3-486-55973-6 Inhaltsangabe.- Collegium Carolinum (Hrsg.): Ortslexikon der böhmischen Länder. München/Wien 1983, ISBN 3-486-51761-9 Inhaltsangabe.
Ostschlesische Porträts. Biographisch-bibliographisches Lexikon von Österreichisch-Ostschlesien. Bearb. von Karl Walter Neumann unter Mitwirkung von Peter Andraschke, Verlag Mann, Band 1: A–D. Berlin 1991, ISBN 3-7861-1634-2, Band 2: E–H. Berlin 1996, ISBN 3-7861-1858-2.
Hugo Rokyta: Die böhmischen Länder. Handbuch der Denkmäler und Gedenkstätten europäischer Kulturbeziehungen in den böhmischen Ländern. Band 3: Mähren und Schlesien. 2., überarb. und erw. Aufl. Vitalis, Prag 1997, ISBN 80-85938-17-0.
Weblinks |
Commons: Österreichisch-Schlesien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Gesetz- und Verordnungsblatt für das Herzogthum Ober- und Niederschlesien 1850–1920
Einzelnachweise |
↑ Historische Rechtstexte auf der Website der Österreichischen Nationalbibliothek
↑ Reichsverfassung 1861, RGBl. Nr. 20 / 1861 (S. 69); siehe beiliegende Landesordnungen
↑ Anson Rabinbach: The Migration of Galician Jews to Vienna. Austrian History Yearbook, Volume XI, Berghahn Books/Rice University Press, Houston 1975, S. 45, Table 1, basierend auf: Jacob Thon: Die Juden in Österreich. In: Veröffentlichungen der Bureau für Statistik der Juden. No. 4, Verlag L. Lamm, Berlin-Halensee 1908, S. 6–8; sowie Joseph Buzek: Das Auswanderungsproblem in Österreich. In: Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Vol. 10, 1901, S. 492
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