Umweltbildung
Umweltbildung ist ein in den 1970er Jahren aufgekommener Bildungsansatz, der einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen vermitteln soll.
Inhaltsverzeichnis
1 Entwicklung
2 Praxis
3 Literatur
4 Siehe auch
5 Weblinks
6 Fußnoten
Entwicklung |
Wesentlich beteiligt an der Entwicklung des Ansatzes waren die Umweltbewegungen der 1970er Jahre. Bis heute sind die daraus entstandenen Organisationen und Institutionen operativ tätig. In den 1980er Jahren wurden im deutschsprachigen Raum zahlreiche Konzepte mit sehr unterschiedlicher Ausrichtung und Zielsetzung entwickelt, für die verschiedene Bezeichnungen eingeführt wurden, wie zum Beispiel Umwelterziehung[1], Ökologisches Lernen[2] und Ökopädagogik.
Schon seit Ende der 1980er Jahre gibt es Umweltbildungsakteure in allen Bildungssektoren von der frühkindlichen Bildung über Schule, Hochschule, berufliche und allgemeine (Weiter-)Bildung bis zum informellen Lernen.
Nach der Agenda 21 der Weltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 entwickelte sich die Umweltbildung international immer mehr in Richtung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) weiter. Umweltbildung ist ohne das Leitbild nachhaltige Entwicklung inzwischen überholt. Dieses Leitbild bezieht sich nicht nur auf Ökologie, Umwelt oder Natur, sondern integriert weitere Dimensionen, z. B. Soziales und Ökonomie, oft auch auf Politik/Partizipation und Kultur. Dies ist inzwischen bei fast allen Akteuren der ehemaligen Umweltbildung, in allen Bildungsbereichen und der Wissenschaft sowie der Politik akzeptiert – spätestens seit der am 1. Januar 2005 gestarteten „UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung“.
Praxis |
In Deutschland gibt es bundesweit etwa 4.600 stationäre Umweltbildungeinrichtungen.[3] Diese werden ergänzt durch rund 30 Umweltmobile. Die Vielfalt institutioneller Formen ist kaum überschaubar, sie reicht von Waldkindergärten, Umweltschulen, Umwelt- und Ökologiestationen, Nationalpark-, Biosphärenreservat-, Naturpark-, Umwelt-, Naturschutz- und Schulbiologiezentren, Schulland- und Waldjugendheimen, Jugendherbergen, Waldschulen, Schulbauernhöfe und Freilandlaboren bis zu Umweltakademien. Daneben arbeitet eine nicht erfasste, große Zahl freiberuflich tätiger Umweltpädagogen (z. B. Wattführer, Landschaftsführer, Naturpädagogen, Wildnispädagogen, Waldpädagogen usw.). Oft gibt es eine fruchtbare Kooperation mit den freien Bildungseinrichtungen.
Diese Entwicklung hin zur BNE trifft z. B. auch für den Dachverband der Umweltbildungseinrichtungen und UmweltpädagogInnen in Deutschland, die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU) zu. Umweltmobile sind gesondert in der Arbeitsgemeinschaft der Umweltmobile (AGUM) organisiert, die auch internationale mobile Projekte (Mobile Environmental Education Projects - MEEP) vernetzt. Die ANU gibt seit 1991 den monatlichen Informationsdienst ökopädNEWS heraus, der aus allen Bildungssektoren mit Schwerpunkt Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung verbandsübergreifend berichtet. Ein umfangreiches Archiv im Internet mit rund 5.000 Beiträgen bietet einen guten Überblick und kann kostenlos genutzt werden. Dort findet sich auch eine Medienliste mit rund 45 Rundbriefen und anderen Medien aus dem deutschsprachigen Raum.
In Österreich arbeitet das FORUM Umweltbildung mit 15 Mitarbeitern in den beiden Geschäftsstellen in Wien und Salzburg. Das FORUM Umweltbildung ist eine Initiative des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Abt. II/3 Nachhaltige Entwicklung) und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (Abt. V/11 Politische Bildung und Umweltbildung). Zur Anzahl der Einrichtungen in Österreich gibt es keine verlässlichen Daten. Eine Zusammenstellung von Einrichtungen bietet die „Bildungslandkarte“.[4] Im Bundesland Steiermark wurde bereits 1982 die erste österreichische Umweltbildungseinrichtung gegründet, die seit 2001 unter dem Namen Umwelt-Bildungs-Zentrum Steiermark (UBZ) tätig ist. An der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik (im 13. Wiener Gemeindebezirk, Ober St. Veit), gibt es seit 2008 den Studiengang Umweltpädagogik. Das Bachelorstudium Umweltpädagogik ist vierjährig mit 240 ECTS und das Masterstudium Umweltpädagogik und Beratung ist einjährig mit 60 ECTS.[5]
In der Schweiz wurde 1994 die Stiftung Umweltbildung Schweiz (SUB) von Bund, Kantonen, Gemeinden und Organisationen der Bildung und des Umweltschutzes gegründet. Sie soll die Umweltbildung in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein fördern und ausbauen, sie in den vorhandenen Strukturen verankern sowie Initiativen der Umweltbildung unterstützen und koordinieren und die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren, mit dem Ausland und mit verwandten Gebieten verstärken. Die Stiftung verfügt über eine umfangreiche Datenbank mit Angaben zu Institutionen und Angeboten in der Schweiz, einer Liste von Organisationen sowie einer Übersicht von Praxiseinsätzen im Natur- und Umweltschutz für Klassen, Gruppen und Einzelpersonen. Die Stiftung SUB ist Mitglied im internationalen Netzwerk zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung und Umweltbildung / ENSI, das 1986 unter dem Schirm des OECD Zentrums für Bildungsforschung und Innovation (CERI) gegründet wurde.
Ein konkretes Beispiel aus der Schweiz ist die Aktion Spechtbaum, welche gegen Ende der 1990er Jahre die Pro Natura und den Schweizer Vogelschutz mit dem Verband Schweizer Förster zusammenführte. Schulklassen und Jugendgruppen wurden mit der Aktion dazu motiviert, im Wald nach sogenannten Höhlenbäumen zu suchen, die – zumeist vom Specht gezimmert – Vögeln als Nistplätze dienen. Manche Förster boten dabei Hand dazu, diese gefundenen und entsprechend markierten Höhlenbäume im Sinne einer naturnahen Wald-Bewirtschaftung stehen zu lassen.[6]
Schon immer gab es Berührungspunkte der Umweltbildung mit dem Ansatz Globales Lernen, der sich aus der entwicklungspädagogischen Bildung und der Dritte-Welt-Pädagogik und ähnlichen Konzepten entwickelt hat. Ein Beispiel ist der Konziliare Prozess, der gemeinsame Lernweg christlicher Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Bei seinem Ansatz von Umweltbildung geht es darum, die Wechselwirkung zwischen dem kleinen Haushalt des Alltags (des Oikos) und dem größeren Haushalt der bewohnten Erde (der Oikumene) erfahrbar zu machen.[7] Inzwischen hat sich auch das Globale Lernen mehr in Richtung der Bildung für nachhaltige Entwicklung fokussiert, ohne dass der Begriff dafür aufgegeben wurde.
Einige Pädagogen sprechen von einer relativen Erfolglosigkeit der herkömmlichen Umweltbildung und schlagen reformpädagogische und andere Ansätze vor.[8] Insbesondere erlebnispädagogische Ansätze sind im Kapitel Natur- und Umweltpädagogik beschrieben (siehe auch informelles Lernen). In eine andere Richtung geht Umweltbildung unter dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung, durch die dadurch besser ermöglichte Lebensnähe sind größere Erfolge zu erwarten.
Literatur |
- Gerhard Becker: Urbane Umweltbildung im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung. Theoretische Grundlagen und schulische Perspektiven. Ökologie und Erziehungswissenschaft Bd. 7, VS Verlag, 2001, ISBN 3-8100-2834-7. (erhältlich nur noch auf www.umweltbildung-os.de, mit digitalen Erweiterungen 2011)
- Wolfgang Beer, Gerhard de Haan (Hrsg.): Ökopädagogik. Aufstehen gegen den Untergang der Natur. Beltz, Weinheim 1984, ISBN 3-407-33303-X.
- Martin Beyersdorf: Umweltbildung. Luchterhand Verlag, Neuwied 1998, ISBN 3-472-03150-6.
- Dietmar Bolscho, Hansjörg Seybold: Umweltbildung und ökologisches Lernen. Cornelsen-Scriptor, Berlin 1996, ISBN 3-589-21072-9.
- Richard Häusler: Erfundene Umwelt. Das Konstruktivismus-Buch für Öko- und andere Pädagogen. ÖKOM, 2004, ISBN 3-936581-73-8.
- Regula Kyburz-Graber, Ueli Halder, Anton Hügli, Markus Ritter: Umweltbildung im 20. Jahrhundert – Anfänge, Gegenwartsprobleme, Perspektiven. Waxmann, Münster 2001, ISBN 3-89325-892-2.
- Eduard W. Kleber: Grundzüge ökologischer Pädagogik. Eine Einführung in ökologisch-pädagogisches Denken. Weinheim/ München 1993, ISBN 3-7799-1012-8.
- Herbert Österreicher: Praxis der Umweltbildung. In: Norbert Kühne (Hrsg.): Praxisbuch Sozialpädagogik. Band 7, Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2009, ISBN 978-3-427-75415-2.
- Manuela Seifert, Regina Steiner, Johannes Tschapka: Zwischen Management und Mandala. Umweltbildung quer durch Europa. Hg.: Österreichische Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz. Wien 1999, ISBN 3-900717-40-0.
- Lars Wohlers: Informelle Umweltbildung am Beispiel der deutschen Nationalparke. Shaker, Aachen 2001, ISBN 3-8265-8457-0.
Siehe auch |
- Anthropozän
Bundesweiter Arbeitskreis der staatlich getragenen Bildungsstätten im Natur- und Umweltschutz (BANU)- Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation
Weblinks |
Deutschland
Umwelt im Unterricht – Unterrichtsideen zu aktuellen Anlässen im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)
Arbeitskreis Umweltbildung beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung – Dach- und Fachverband der Umweltzentren, Initiativen, Anbieter, Freiberufler/Selbständigen und weiteren Einzelpersonen der außerschulischen Umweltbildung
Umweltbildung der Heinz Sielmann Stiftung
Österreich
FORUM Umweltbildung – Portal für Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung in Österreich
Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik/ – Studien- und Lehrgänge zu umweltpädagogischen Schwerpunkten
Fußnoten |
↑ Eulefeld, vgl. Umwelterziehung. In: ZUM-Wiki. Abgerufen am 27. Dezember 2017.
↑ Bolscho, Seybold
↑ Schätzung der Forschungsgruppe Umweltbildung der Freien Universität Berlin
↑ Österreichs Bildungslandkarte
↑ Raphaela Kitzmantel-Losch: HOME | Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik - Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik. Abgerufen am 17. November 2018.
↑ Broschüre Aktion Spechtbaum, 1998.
↑ Josef Senft: Umweltbildung und Oikos-Pädagogik: Ansätze und Argumente. In: Diakonia. Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche 32 (2001) Heft 6, 407-412, 410ff
↑ Göpfert, H.: Werkzeuge zur Rettung der Erde? IMC/NABU, 15. Dezember 2004, archiviert vom Original am 29. März 2007; abgerufen am 16. Dezember 2012.