Arnold Brecht
Arnold Brecht (* 26. Januar 1884 in Lübeck; † 11. September 1977 in Eutin) war ein deutsch-amerikanischer Jurist und Politikwissenschaftler. Er war führender Beamter in der Weimarer Republik und gehörte zu den wenigen demokratisch gesinnten Spitzenbeamten, die aktiv für die Bewahrung der Weimarer Republik eintraten.
Inhaltsverzeichnis
1 Leben
2 Arnold Brecht als Namensgeber
3 Schriften
4 Literatur
5 Weblinks
6 Einzelnachweise
Leben |
Brecht war Sohn von Walther Brecht (1841–1909), Direktor der Lübeck-Büchener Eisenbahn und Mitglied der Lübecker Bürgerschaft und dessen Ehefrau Regina Erdmuthe Marie Weishaupt (* 9. Juni 1856 in Weissenfels; † 8. März 1928 in Berlin).[1] Er hatte zwei Schwestern und zwei Brüder, darunter Gustav, der in der Braunkohlewirtschaft tätig war.[2]
Nach dem Abitur am Katharineum zu Lübeck Ostern 1902[3] studierte Brecht Rechtswissenschaften in Bonn, Berlin, Göttingen[4] und Leipzig, wo er schließlich 1906 auch promovierte. Während seines Studiums wurde er Mitglied der AMV Makaria Bonn, einer musikalischen Studentenverbindung im Sondershäuser Verband.[5][6] In den Jahren 1918 bis 1933 war er zunächst Reichsbeamter und – nach seiner politisch motivierten Entlassung aus dem Reichsdienst – als preußischer Ministerialdirektor und „hauptamtliches stellvertretendes Mitglied“ Stimmführer der Stimmen des preußischen Staatsministeriums im Reichsrat.[7]
Brecht vertrat 1932 die Verfassungsklage der legitimen preußischen Regierung Braun/Severing vor dem Staatsgerichtshof gegen den „Preußenschlag“ der Präsidialregierung Papen. Nachdem durch das Urteil des Staatsgerichtshofs [8] das Recht der Regierung Braun/Severing, Preußen weiterhin im Reichsrat zu vertreten, bestätigt worden war, nahm Brecht die Stimmführung der Stimmen des preußischen Staatsministeriums wieder auf. In dieser Funktion antwortete er auf die Antrittsrede Adolf Hitlers im Reichsrat am 2. Februar 1933. Er forderte Hitler zur Achtung von Recht und Gesetz auf. Im Anschluss an die Rede verließ Hitler – offensichtlich ungehalten – die Sitzung. Der Vorgang führte zu einem wütenden Kommentar des NS-Parteiorgans Völkischer Beobachter.[9] Bereits wenige Tage danach wurde er aus dem Staatsdienst entlassen. Die „Hoheitsregierung“ Braun/Severing, deren Belange Brecht im Reichsrat zu vertreten hatte, konnte dies nicht verhindern, da die Personalhoheit aufgrund des „Preußenschlags“ durch die von der Reichsregierung eingesetzte „Kommissariatsregierung“ ausgeübt wurde.
Brecht emigrierte in die Vereinigten Staaten, wo er in New York an der New School for Social Research Lehraufgaben übernahm.[7]
Noch vor Ende des Zweiten Weltkrieges war er ein gefragter Berater in der amerikanischen Außenpolitik und zu Beginn der 1950er Jahre Mitbegründer der Politikwissenschaft in Deutschland. Brecht wirkte beratend bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes mit. Er wurde 1953 rückwirkend zum Staatssekretär a. D. ernannt und erhielt 1959 das Große Bundesverdienstkreuz.[4] Diese Ehrung erhielt er zusammen mit Else Staudinger, ihrem Ehemann Hans Staudinger und Hans Simons, alle drei Exilierte in New York.[10]
Arnold Brecht als Namensgeber |
Nach Arnold Brecht wurde das Brechtsche Gesetz benannt.
Schriften |
System der Vertragshaftung (Unmöglichkeit der Leistung, positive Vertragsverletzung und Verzug) (= Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts. Band 53). 1908, S. 213 ff.
Gedenken an Walther Rathenau. Feier der Walther-Rathenau-Stiftung zum 60. Geburtstage am 29. Sept. 1927 / Gerhart Hauptmann; Wilhelm Marx; Arnold Brecht; Edwin Redslob. Dresden 1928.
Internationaler Vergleich der öffentlichen Ausgaben. Leipzig 1932.
Preussen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof. Stenogrammbericht der Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig vom 10. bis 14. und vom 17. Oktober 1932. Dietz, 1933. Mit einem Vorwort von Arnold Brecht.
Prelude to silence. The end of the German republic. New York 1944.
Federalism and regionalism in Germany. The division of Prussia. Oxford University Press, New York 1945.
Vorspiel zum Schweigen. Das Ende der deutschen Republik. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1948.
Föderalismus, Regionalismus und die Teilung Preussens. Bonn 1949.
Walther Rathenau und das deutsche Volk. München 1950.
Die Auflösung der Weimarer Republik und die politische Wissenschaft. In: Zeitschrift für Politik. NF, Jg. 2, Heft 4, Dezember 1955, S. 291ff.
Political Theory, The Foundations of Twentieth-Century Political Thought. Princeton University Press, Princeton N.J. 1959.
Politische Theorie. Die Grundlagen politischen Denkens im 20. Jahrhundert. Stellenweise revidierte und ergänzte deutsche Ausgabe, übersetzt von Irmgard Kutscher und dem Verfasser. Mohr, Tübingen 1961.- 2., durchges. Auflage: Politische Theorie. Mohr, Tübingen 1976.
Aus nächster Nähe. Lebenserinnerungen 1884–1927. Lebenserinnerungen, Band I, Stuttgart 1966.
Mit der Kraft des Geistes: Lebenserinnerungen 1927–1967. Lebenserinnerungen, Band II, Stuttgart 1967.
Lyrisches Vermächtnis. Reichert, Kornwestheim 1974.
Kann die Demokratie überleben? Die Herausforderungen der Zukunft und die Regierungsformen der Gegenwart. Stuttgart 1978.
Literatur |
- Hannah Bethke: Das politische Denken Arnold Brechts. Eine transatlantische Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts (Beiträge zur Politischen Wissenschaft, Band 178). Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-13998-9.
Volker Depkat: Lebenswenden und Zeitenwenden. Deutsche Politiker und die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts. München 2007, ISBN 978-3-486-57970-3 (Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit. Band 18).- Hannah Bethke: Arnold Brecht. In: Rüdiger Voigt, Ulrich Weiß (Hrsg.): Handbuch Staatsdenker. Steiner, Stuttgart 2010, S. 64–66.
Morris D. Forkorsch (Hrsg.): The Political Philosophy of Arnold Brecht. Essays, presented to Arnold Brecht by His Former and Present Students to Commemorate the Completion of Twenty Years of Devoted Service at the Graduate Faculty of the New School for Social Research. Exposition Press, New York 1954.
Claus-Dieter Krohn: Wissenschaft im Exil. Deutsche Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler in den USA und die New School for Social Research. Frankfurt/New York 1987, ISBN 3-593-33820-3, S. 78–79, 84, 106–107, 139, 141, 164–165, 187, 197, 202–204, 207–210.- Claus-Dieter Krohn, Corinna R. Unger (Hrsg.): Arnold Brecht 1884–1977. Demokratischer Beamter und politischer Wissenschaftler in Berlin und New York. Stuttgart 2006, ISBN 978-3-515-08883-1 (Transatlantische Historische Studien des GHI Washington. Band 27).
Joachim Lilla: Der Reichsrat – Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs 1919–1934. Droste, 2006, ISBN 978-3-7700-5279-0.
Siegfried Mielke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Stefan Heinz, Matthias Oden, Sebastian Bödecker: Einzigartig – Dozenten, Studierende und Repräsentanten der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-032-0, S. 353.
Michael Ruck: Patriotischer Institutionalismus und bürokratische Modernisierung. Arnold Brecht als Verwaltungsreformer in der Weimarer Republik. In: Eberhard Laux, Karl Teppe (Hrsg.): Der neuzeitliche Staat und seine Verwaltung. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte seit 1700. Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07168-7, S. 177–202 (Nassauer Gespräche der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft. Band 5).- Michael Ruck: Arnold Brecht und die Verfassungsentwicklung in Westdeutschland. In: Claus-Dieter Krohn, Martin Schumacher (Hrsg.): Exil und Neuordnung. Der Einfluss von Emigranten auf die verfassungspolitische Entwicklung im Nachkriegsdeutschland. Düsseldorf 2000, ISBN 3-7700-5230-7, S. 207–229.
- Michael Ruck: Wider den ”unvollkommenen Alternativismus”. Arnold Brechts Empfehlungen zur Deutschland- und Entspannungspolitik nach 1945. In: Claus-Dieter Krohn, Corinna R. Unger (Hrsg.): Arnold Brecht, 1884-1977. Demokratischer Beamter und politischer Wissenschaftler in Berlin und New York. Stuttgart 2006, ISBN 978-3-515-08883-1, S. 151–195 (Transatlantische Historische Studien des GHI Washington. Band 27).
- Michael Ruck: Deutsch-amerikanische Perspektiven. Der politische Intellektuelle Arnold Brecht als transatlantischer Mittler im Kalten Krieg. In: Alexander Gallus, Axel Schildt (Hrsg.): Rückblickend in die Zukunft. Politische Öffentlichkeit und intellektuelle Positionen um 1950 und um 1930. Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0871-8.
Ernst C. Stiefel, Frank Mecklenburg: Deutsche Juristen im amerikanischen Exil (1933–1950). Tübingen 1991, ISBN 3-16-145688-2, S. 87–88.- Corinna R. Unger: Vom Beamtenrecht zur politischen Kultur. Die Vorschläge Brechts zur Reform des öffentlichen Dienstes der Bundesrepublik. In: Kritische Justiz. 36, 2003, ISSN 0023-4834, S. 82–94.
Klaus D. Weber: Brecht, Arnold. In: Manfred Asendorf, Rolf von Bockel (Hrsg.): Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten. Stuttgart/Weimar 1997, ISBN 3-476-01244-1, S. 95–97.
Jürgen Wirtz: Das Brecht'sche Gesetz. Entstehung und Nachweis unter besonderer Berücksichtigung des Agglomerationsprozesses in der Bundesrepublik Deutschland. Dissertation. Freiburg (Schweiz) 1975.
Weblinks |
Commons: Arnold Brecht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Literatur von und über Arnold Brecht im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek- Michael Berger: Ein Mann für die Geschichtsbücher
Einzelnachweise |
↑ Karsten Blöcker: Vor achtzig Jahren: Arnold Brecht belehrt Hitler. In: Lübeckische Blätter 178 (2013), S. 33.
↑ Hedwig Seebacher: Brecht, Walther. in: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Band 7. Wachholtz Verlag, Neumünster 1985, S. 32.
↑ Hermann Genzken: Die Abiturienten des Katharineums zu Lübeck (Gymnasium und Realgymnasium) von Ostern 1807 bis 1907. Borchers, Lübeck 1907. (Beilage zum Schulprogramm 1907) (Digitalisat, Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf), Nr. 1164.
↑ ab Arnold Brecht im Stadtarchiv Göttingen
↑ Harald Lönnecker: „... den Kern dieses ganzen Wesens hochzuhalten und ... zu lieben“. Theodor Litt und die studentischen Verbindungen. In: Dieter Schulz, Heinz-Werner Wollersheim (Hrsg.): Theodor-Litt-Jahrbuch, Jg. 4 (2005), S. 189–263.
↑ Verband Alter SVer (VASV): Anschriftenbuch. Mitgliederverzeichnis sämtlicher Alten Herren. Stand vom 1. Oktober 1937. Hannover 1937, S. 26.
↑ ab Pressemeldung der Stadt Lübeck
↑ Urteil vom 25. Oktober 1932 – StGH 15, 16, 17 u. 19/32 – RGZ 138, Anh. S. 1.
↑ Heiko Holste: Zwischen Reichsreform und „Preußenschlag“. Ministerialbeamter im Dienst der Republik. In: Claus-Dieter Krohn, Corinna R. Unger (Hrsg.): Arnold Brecht 1884–1977. Demokratischer Beamter und politischer Wissenschaftler in Berlin und New York. Stuttgart 2006, S. 55–82, hier S. 79–80.
↑ Theodor Heuss ehrte diese Emigranten aus Anlass seines 75. Geburtstages. Siehe Wolfram Werner: Emigranten im Parlamentarischen Rat. In: Claus-Dieter Krohn, Martin Schumacher (Hrsg.): Exil und Neuordnung. Beiträge zur verfassungspolitischen Entwicklung in Deutschland nach 1945 (= Dokumente und Texte. Hrsg. von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Zusammenarbeit mit der Herbert-und-Elsbeth-Weichmann-Stiftung. Band 6). S. 161–174, hier S. 173 f.
Personendaten | |
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NAME | Brecht, Arnold |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-amerikanischer Jurist und Politikwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 26. Januar 1884 |
GEBURTSORT | Lübeck |
STERBEDATUM | 11. September 1977 |
STERBEORT | Eutin |